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Parodontologie kann noch mehr: Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen im Interview

Zum Ende seiner Amtszeit als Präsident der European Federation of Periodontology (EFP) gab Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen ein Interview. © DG Paro
DG Paro

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Mo. 9. Januar 2017

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REGENSBURG – In die Amtsperiode von Prof. Jepsen als EFP-Präsident fielen wichtige Meilensteine: das 25-jährige Jubiläum, die EuroPerio8 sowie der Start einer europaweiten Kampagne für eine bessere Parodontalgesundheit. Ungeachtet des jährlichen Wechsels an der Spitze wird Prof. Jepsen weiter im Vorstand des wissenschaftlichen Dachverbandes engagiert bleiben

Seine nächsten großen EFP-Projekte sind der Joint EFP/AAP „World Workshop on a New Classification of Periodontal and Peri-implant Diseases“ im November 2017 und der Scientific Chair für die Ausgestaltung des nächsten, weltweit bedeutendsten Parodontologie-Kongresses, der EuroPerio9 im Juni 2018 in Amsterdam. In Deutschland ist er Koordinator einer neuen AWMF-Leitlinie „Diabetes und Parodontitis“.

DG Paro: Seit 25 Jahren gibt es die EFP, und ihre Bedeutung wächst. Was bietet sie ihren Mitgliedern und der Zahnärzteschaft?
Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen: 
Die EFP ist der Dachverband von 
29 nationalen parodontologischen Fachgesellschaften, die insgesamt rund 15.000 Mitglieder haben. Übergeordnetes Ziel ist die Förderung der Parodontalgesundheit 
als Teil der Allgemeingesundheit 
durch Aus- und Fortbildung, Forschung und Kommunikation. In diesem Jahr feierte die EFP das 25-jährige Jubiläum und wir hat­ten im April in Berlin eine große Festveranstaltung mit den Präsidenten und Delegierten. Zu diesem Anlass konnten wir 
voller Freude und auch mit Stolz auf 25 Jahre Parodontologie in Europa 
zurückschauen – auf den großen Erfolg unserer EuroPerio-Kongresse, der bedeutendsten und größten Parodontologietagungen weltweit, auf unser hoch angesehenes wissenschaftliches Journal of Clinical Periodontology und auf 
die European Workshops on Periodontology, die weltweit führenden wissenschaftlichen Konsensuskonferenzen zu Schlüsselthemen der Parodontologie und Implantat­therapie. Aufgrund all dieser Aktivitäten genießt die EFP ein sehr hohes Ansehen und gilt als die 
weltweit anerkannte Autorität in der wissenschaftlich fundierten 
Parodontologie. Dabei werden wir geleitet von der EFP-Vision „Periodontal health for a better life“. Dieses wollen wir als Thema und als Auftrag in die Zahnärzteschaft, aber auch in die Öffentlichkeit transportieren. Und das im euro­päischen Schulterschluss.

Was waren die Meilensteine Ihrer Präsidentschaft?
Im Fokus stand natürlich die 25-Jahr-Feier der EFP, die wir zusammen mit der Generalversammlung in Berlin mit einem Festakt begehen konnten. Als wichtigsten Schwerpunkt meiner EFP-Präsidentschaft haben wir eine europaweite Aufklärungskampagne mit dem Ziel gestartet, das Wissen und das Bewusstsein über die Bedeutung parodontaler Erkrankungen, Gingivitis und Parodontitis entscheidend zu verbessern. Die EFP war schon immer sehr gut darin, wissenschaftliche Evidenz zu generieren und diese global in der Fachwelt zu verbreiten. Allerdings haben wir es bisher nicht vermocht, diese Erkenntnisse genauso erfolgreich auch in die nicht spezialisierte Zahnärzteschaft, an die Patienten, in die Öffentlichkeit und zu den gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern zu tragen. Basierend auf den Erkenntnissen und der Evidenz aus zwei bedeutenden EFP-Konsensuskonferenzen zur Prävention und zu den Wechselwirkungen zwischen paro­dontaler und systemischer Erkrankung haben wir unter dem Motto „Periodontal Health for a better Life“ einige Kernbotschaften formuliert. 21 nationale Gesellschaften haben am European Perio Day teilgenommen und es wurden zahlreiche sehr originelle öffentlichkeitswirksame Aktionen entfaltet, die ein großes Echo in der Presse und in den sozialen Medien fanden.

Auch haben wir wichtige Kontakte zur WHO und zur International Diabetes Federation (IDF) geknüpft. Wir haben eine Konsensuskonferenz mit den europä­ischen Kariologen (ORCA) vorbereitet, die im November dieses Jahres stattgefunden hat. Weiter haben wir einen World Workshop zusammen mit unseren amerikanischen Kollegen (AAP) zur Erarbeitung einer neuen weltweit gültigen Klassifikation von parodontalen und periimplantären Erkrankungen im Jahr 2017 initiiert und intensiv durchgeplant.

Und auch die Vorbereitungen für den nächsten EuroPerio-Kongress 2018 in Amsterdam laufen bereits auf Hochtouren.

Das Thema Prävention ist in der aktuellen Diskussion. Auch die EFP hat dies zu einem Thema gemacht.
Prävention war das Leitthema unseres EFP Workshops Ende 2014. In vier Arbeitsgruppen wurden 
von 75 internationalen Experten Forschungsergebnisse zu diesem Thema systematisch begutachtet und aufbereitet. Sie betreffen die Grundlagen von Präventionskonzepten sowie die Behandlung von Gingivitis und periimplantärer Mukositis zur primären Prävention von Parodontitis und Periimplantitis. Außerdem beschäftigten wir uns mit den Konzepten, die bei zuvor erkrankten und bereits therapierten Patienten ein Wiederauftreten der Erkrankung verhindern sollen (sekundäre Prävention).

Wie überführen Sie diese umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis?
Das ist natürlich ein ganz wichtiger Punkt für uns. Deshalb haben wir die Erkenntnisse aus den Workshops in neun klinische Empfehlungen für die Praxis überführt. Diese können Zahnmediziner auf der EFP-Website nachschlagen.

Was sind darin die leitenden Gedanken zum Thema Prävention?
Wichtig ist für uns, zu differenzieren zwischen der Primärprävention für Gesunde bzw. lediglich an Gingivitis Erkrankten und einer Sekundärprävention bei zuvor erkrankten, bereits therapierten Patienten. Die PZR ist eine wichtige Maßnahme der Primärprävention. Wichtig ist, Risiko­faktoren wie z.B. Rauchen und 
Diabetes zu berücksichtigen, da­rüber aufzuklären und Verhaltens­änderungen in Richtung eines gesunden Lebensstils zu vermitteln. Zur Therapie einer Parodontitis ist eine alleinige PZR allerdings nicht geeignet. Sekundärprävention nach aktiver Parodontitistherapie beginnt, wenn ein definierter Endpunkt (nach Möglichkeit deutliche Reduktionen von Sondierungstiefen [< 5 mm] und Sondierungsblutung [< 15 %]) erreicht ist und bedeutet unterstützende Parodontitistherapie (UPT), welche die regelmäßige jährliche Erhebung des Parodontalstatus und gegebenenfalls frühzeitige erneute aktive Therapie mit subgingivalem Scaling beinhaltet.

Sie sind Koordinator einer neuen AWMF-Leitlinie „Diabetes und Parodontitis“. Heißt das, Sie räumen den Zahnärzten eine neue Rolle im Gesundheitssystem ein?
Wir sind überzeugt, dass Parodontologen und Zahnärzte eine wichtige Rolle spielen können, um Verhaltensänderungen und Gesundheitsförderung zu unterstützen. Es ist doch so, dass die Zahnarztpraxis eine Gesundheitseinrichtung ist, die von gesunden Menschen am häufigsten besucht wird. Darin liegt eine Chance, Krank­heiten vorzubeugen oder sie zu­mindest im Frühstadium zu erkennen. Deshalb haben wir konsequenterweise die Gesundheitsfachkräfte dazu aufgerufen, das EFP-Manifest „Perio and General Health“ zu unterzeichnen. Darin geht es um die Schlüsselrolle, die das zahnmedizinische Team bei der Verbesserung der Allgemeingesundheit spielen kann. Möglichkeiten speziell im Hinblick auf Diabetes wären zum Beispiel, ein Screening auf Diabetes in der zahnärztlichen Praxis durchzuführen oder umgekehrt die Selbsttest-App der DG PARO in Arztpraxen einzusetzen. Mit der Leitlinie „Diabetes und Parodontitis“ wollen wir die Vernetzung von Arzt- und Zahnarztpraxen bei der Prävention und Behandlung der beiden Erkrankungen weiter vorantreiben. Die Leit­­linie soll im Sommer 2017 be­schlossen werden und eine wichtige Orientierungshilfe für die Praxis sein.

Was steht denn nun für Sie persönlich auf der Agenda?
Zunächst gilt es, unsere EFP-­Patientenkampagne „Perio for a better life“ zu fördern. Die neue AWMF-Leitlinie „Diabetes und Parodontitis“ wird wesentlich dazu beitragen, das große gemeinsame Thema von EFP und DG PARO zum Zusammenhang von Mund- und Allgemeingesundheit weiter voranzutreiben – auch im Schulterschluss mit Ärzten und Dia­betologen. Und natürlich ist die 
EuroPerio9 2018 in Amsterdam ein äußerst spannendes und herausforderndes Projekt. Ich möchte gerne weiterhin Bindeglied zwischen den EFP-Ländern sein, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis – sowie ein Botschafter für Mundgesundheit in Richtung Bevölkerung und Politik.

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