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Spannender Schlagabtausch

Bei der Jahrestagung des DGI-Landesverbandes Berlin-Brandenburg konnte Gastgeber Prof. Dr. Dr. Volker Strunz (Mitte) mit Prof. Dr. Dr. Stefan Hassfeld (links) und Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner (rechts) zwei starke argumentationsstarke Kollegen auf das Pro&Contra-Podium bringen. (Foto: DGI)
DGI-Landesverband Berlin/Brandenburg

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Mi. 5. Mai 2010

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BERLIN - Die Referenten hatten die Thematik der von Prof. Dr. Dr. Volker Strunz geplanten und geleiteten 14. Jahrestagung des DGI-Landesverbandes Berlin-Brandenburg (BBI) am 6. März in Potsdam erfreulich ernst genommen: In teilweise provokanten Statements bezogen sie u.a. Position zu DVT, Augmentation oder zu Parodontal- oder Implantattherapie.

Die rund 400 Teilnehmer – dazu über 100 Praxismitarbeiterinnen im parallelen ZFA-Programm – erlebten ein Feuerwerk an Schlagabtausch seitens der renommiertesten Referenten im Fach, ergänzt um einen externen Spezialisten, den Endokrinologen und Gynäkologen Prof. Dr. Horst Lübbert, Charité.
Schon Tradition der Jahrestagung ist die mahnende Einführung von Professor Strunz anhand eines Musterfalles: Diesmal zeigte er eine Diagnostik per DVT und appellierte an seine Kollegen: „Vertrauen Sie Ihren eigenen Augen, inspizieren und palpieren Sie – das DVT ist Fluch und Segen zugleich!“ Das DVT mache die Kompetenz des Behandlers nicht überflüssig und erweise sich zudem als Fluch, da einem die Technik jeden eigenen Fehler vor Augen führe – dennoch sei die Technologie ein Segen, weil „man die Patienten sieht ehe man aus den Naturvoraussetzungen ein Problem macht.“

Deutlich divergente Positionen zum DVT
Das Pro und Contra zu DVT übernahmen Prof. Dr. Dr. Stefan Hassfeld, Dortmund (Pro), und Prof. Dr. Dr. Wilfried Wagner, Mainz (Contra). Professor Hassfeld stellte hier vor allem den Nutzen bei der Vermeidung von Fehlpositionierung in den Vordergrund („Die Unzufriedenheit des Patienten ist eine Komplikation für mich!“) sowie die natürlichere Sichtweise: „Sie sind hier doch auch alle 3D im Saal und kleben nicht 2D an der Wand!“ Seiner Ansicht nach könne man sich mit einem DVT-Einsatz „Zeitaufwand, Invasivität, Kosten und Ärger beim Patienten ersparen“, zudem biete die 3D-Diagnostik Vorteile in der Forensik im Falle eines Gerichtsverfahrens: „Das DVT eignet sich sehr für die Hartgewebsdiagnostik, denn damit haben wir es in der Implantologie weitgehend zu tun.“ Seine Einschätzung: „Die Technik bietet einfache Handhabung und niedrige Strahlendosis und wird sich in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde etablieren!“ Kritikpunkt: „Der kleine forensische Druck auf die Praxen...“ Auf die nachvollziehbar dargelegte Pro-Argumentation setzte Professor Wagner einen harten Konter: „Wo ist denn unsere rechtfertigende Indikation?“ Er frage sich, ob das DVT den derzeitigen 98%-Behandlungserfolg in der Implantologie überhaupt noch entscheidend verbessern könne und ob tatsächlich die Zahl der Komplikationen verringert werde: „Wie viel Nerven haben Sie denn früher umgebracht? Das DVT ist medizinisch nicht erforderlich, macht die Implantologie noch teurer und ist berufspolitisch bedenklich!“ Das DVT in der Praxis entwickle sich gelegentlich zu einem “Konkurrenzargument bei Kollegen“ und führe statt zu mehr Wissenschaft oft zu einem Interessenkonflikt: „Wer den Hammer hat, will hämmern!“ So ganz weit auseinander waren die beiden Referenten aber dann doch nicht: „Ich mache ein DVT, wenn ich es brauche“, sagte Professor Wagner, „ich glaube, dass ein DVT hilfreich ist und in manchen Fällen eine medizinische Indikation hat – aber nicht in jedem Fall und bei jedem Dübel!“ Eine Haltung, der auch Professor Hassfeld folgen konnte: „Ein klares Ja zum DVT – aber nicht bei jedem Patienten.“ Ein bemerkenswerter Aspekt ergab sich bei der anschließenden Diskussion: Auf die Frage nach dem Zeitbedarf für die Datenauswertung meinte das DVT-Themen-Duo: Die Analyse der Nebenbefunde sei oft zeitaufwändiger als die eigentliche Diagnose, daher sei die Frage des Sichtfensters ein wichtiges Entscheidungskriterium, es dürfe nicht zu groß gezogen sein.

Was ist denn „zu wenig Knochen“?
„Knochenprobleme sind Weichgewebsprobleme, sagte „Contra-Referent“ Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich/Hannover im Themenkomplex „Knochenaugmentation vor Implantation?“. Die Datenlage zur Thematik sei leider sehr schwach und es fehle an belastbaren Studien. Zudem fehle ein Grenzwert, „ab wann es ‚zu wenig Knochen’ ist.“ Augmentation im Unterkieferseitenbereich sei „durchaus problematisch“, Beckenkamm werde oft weitgehend resorbiert (“sinnvoll nur bei worst-case-Problematik“), und dem Sinuslift sei es einer 5-Jahre-Verlaufsstudie gemäß ziemlich „egal, was man da hinein tut für die Vertikale.“ Es gebe „Sinusbodenaugmentationen, die sind nur finanziell passend...“ Ein häufiges Problem bei Knochenaugmentation: „Wo kommt denn die Durchblutung her?“ Wenn ein vitaler Zahn gezogen werde, fehle es oft an vaskularisiertem Gewebe: „Ohne Gefäße kein Leben!“ Ein Augmentat sei oft eine „Antwort auf die Dimensionen, aber nicht immer für die Biologie.“ Die Implantologie verfüge bisher über kein wirklich perfektes Knochenersatzmaterial, notwendig sei daher die präventive Vorgehensweise: „Rückwärtsplanung ist der richtige Weg, der Knochen braucht das Weichgewebe.“ Dem folgte ein entschiedenes Contra von Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, Kiel: „Lieber Nils – so geht das gar nicht!“ Bei Ästhetikaspekten könne man sich ja trefflich streiten, bei ungenügendem Knochenangebot dagegen nicht. Hinzu käme die Bedeutung hinsichtlich der Prognose („Titan schimmert nach Rezession durch“) und als dritter wichtiger Pro-Punkt die Funktion. Noch zeige die Literaturprüfung nicht allzu überzeugende Überlebensraten bei kurzen Implantaten als Alternative, und erst durch die Möglichkeit der Augmentation habe der Sinuslift seinen erfolgreichen Platz in der Implantologie gefunden. Mitbringen müsse man allerdings Zeit: „Knochen ist kein Sprinter, sondern Marathonläufer!“ Hinsichtlich der Erfolge der Augmentation sei von der Stammzellenforschung sicher noch einiges zu erwarten, so die Einschätzung der beiden Experten.

Parodontal- oder Implantattherapie?
Bei dieser Thematik gab es kein klares Pro und kein klares Contra. Das Resümee von Dr. Ralf Roessler, Wetzlar und Dr. Karl-Ludwig Ackermann, Filderstadt: „Beides.“ Da Mikroorganismen von den Zähnen auf das Implantat übertragen werden können, spiele das Thema Infektionsmanagement eine große Rolle, so Dr. Roessler. Hier spiele die Mundhygiene eine große, aber nicht alleinentscheidende Rolle: „Eine bessere Mundhygiene bringt nicht automatisch eine bessere Mundgesundheit.“ Hygiene-Instruktionen reichten daher nicht, notwendig seien eine antimikrobielle Therapie, minimalinvasivere Behandlungen und ein individuelles Risikomanagement. Es gebe in der chirurgischen wie in der nichtchirurgischen Therapie keine voraussagbaren Ergebnisse in der Periimplantitisfrage, man müsse sich also fragen, wenn man implantieren wolle, wo hinein man implantiere. Selbst in hoffnungslos wirkenden Fällen führe allerdings eine PA-Therapie mit regelmäßigem Recall „zu einer nennenswerten knöchernen Stabilisierung.“ Auch der Contra-Referent Dr. Ackermann stellte klar: „Ein Contra kann ich nicht bieten.“ Vor einer Implantation müsse man sich über das Schicksal des Implantates Gedanken machen – und früh Entscheidungen treffen: „Wenn die Prognose eines Zahnes mit Attachmentverlust schlecht ist, sollte man lieber früh extrahieren und implantieren.“ Das gelte aber nicht bei aggressiver Parodontitis: „Hier muss man die Situation kritisch prüfen.“ Bei PA-Patienten sei in seiner Praxis die full-mouth-desinfection Standard: „Bis zum Einsetzen der definitiven Arbeit können zwei Jahre vergehen.“ Komplimente gab es schließlich vom Pro-Referenten Roessler: „Ich bin beeindruckt – über 90 % Deines Vortrages hast Du parodontologisch und nicht wie ein Implantologe gehalten.“ Die gemeinsame Summary: Parodontologie sei Voraussetzung der Implantologie – dies gelte aber nicht umgekehrt. Beklagt wurde eine schlechte Unterstützung seitens der Wissenschaft – untermauert mit deutlichem Beifall des Publikums: Konsensusleitlinien sollten praxisrelevante Hinweise liefern und nicht Summarys zu überholten Verfahren, und Journals sollten mehr Wert legen auf die Qualität praxisrelevanter Studien.

Osteoporose – und kaum Gründe gegen Implantate
Sehr eindrucksvoll war der „Crash-Kurs“ des Endokrinologen Prof. Dr. med. Horst Lübbert, Charité zum Thema Osteoporose und Auswirkungen der Erkrankung auf die Knochenstabilität, seine Summary: „Osteoporose ist keine Kontraindikation für Implantate – soweit man das heute beurteilen kann.“ Im Fall einer Bisphosphonat-Therapie könne man „Drug-Holidays“ einlegen, wenn der Patient in Langzeit-Therapie (über 3,5 Jahre) sei, eher nicht bei Kurzzeit-Medikation: „Bisphosphonate haben eine lange Halbwertszeit.“ Auf erhöhten Implantatverlust in weichem spongiösen Knochen wies Contra-Referent PD Dr. Frank Strietzel, Charité hin, allerdings sei bei osteoporotischen Patienten durch Implantate „eventuell ein Knochenverlust aufhaltbar bzw. minimierbar.“ Auch er sah in der Osteoporose keine generelle Kontraindikation für Implantate.

Zum Thema Prothetik referierten Prof. Dr. Wolfgang Freesmeyer und OA Dr. Wolfgang Hannak, beide Charité, gleich im Duo: Es gebe an sich kein Pro oder Contra. Einerseits gebe es je nach Situation gute Alternativen zur Implantat-gertragenen Prothetik, aber auch eine konventionelle Versorgung könne Probleme bereiten, beispielsweise bei sehr großen Lücken: „Hier haben Implantate einen klaren Vorteil.“ Was gegen Implantate spreche? „Eigentlich nur eins: Wenn man sie nicht versorgen kann.“
 

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