BREMEN – Mithilfe der Daten aus dem Computertomografen (CT) in wenigen Stunden einen Ersatzknochen aus Keramik herstellen – das ist keine Science-Fiction-Szene, sondern in Bremer Uni-Laboren nun bald möglich.
Die Erfindung nennt sich „Rapid-Prototyping-Verfahren zur Herstellung keramischer Formkörper nach dem Gefriergelierverfahren“ oder kurz „Rapid Freeze Gelation“ (RFG). Mit dem Verfahren lassen sich in einer „RFG-Anlage“ dreidimensionale Strukturen direkt aus digitalen 3-D-Zeichnungen erzeugen. Am Ende des nur wenige Stunden dauernden Prozesses steht ein keramisches Bauteil, dessen Festigkeit in der Regel für Anwendungen wie zum Beispiel in der Medizin als Knochenersatzwerkstoff ausreichend ist. Die Dauer des Prozesses ist abhängig von Größe und Komplexität des zu fertigenden Objektes.
Die Idee für das neue „Rapid-Prototyping-Verfahren zur Herstellung endkonturnaher Bauteile durch schichtweises Gelieren keramischer Suspensionen“ hatte Dr.-Ing. Dietmar Koch aus dem Fachgebiet Keramische Werkstoffe und Bauteile am Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen. Koch und sein Kollege Dipl.-Ing. Lars Andresen wurden 2003 im Wettbewerb „CAMPUSideen 03“ für das Konzept ausgezeichnet, gemeinsam mit Dipl.-Ing. Lars Henkel ging es dann an die Umsetzung. Inzwischen können sich die Wissenschaftler über die Erteilung sowohl eines deutschen als auch eines europäischen Patentes für ihre Entwicklung freuen.
Einfrieren statt „backen“
Nach den Vorgaben einer digitalen 3-D-Zeichnung und gesteuert durch einen Rechner wird die pastöse Keramik-Rohmasse (Schlicker), durch eine Düse in der RFG-Anlage auf einer gekühlten Plattform gezielt, schichtweise abgelegt und die gewünschte Form aufgebaut. So entsteht nach und nach die Struktur, wie sie der Datensatz zum Beispiel aus einem CT vorgibt. Noch befindet sich das Objekt im so genannten Grünzustand und heißt „Grünling“. Der wird normalerweise in einem nächsten Produktionsschritt gesintert, also für eine gewisse Zeit auf gut eineinhalbtausend Grad erhitzt. Beim Sintern, einem Urformverfahren, werden die einzelnen, im Schlicker enthaltenen Pulverpartikel quasi „zusammengebacken“. Damit erhält das Werkstück die erforderliche Festigkeit. Das neue Verfahren geht hier andere Wege: Statt auf „Backen“ setzten die Bremer Wissenschaftler zur Verfestigung aufs Einfrieren.
„Weil insbesondere beim Sintern komplex geformter Bauteile hohe Schrumpfung und hoher Verzug auftreten können, lässt sich keine ausreichende endkonturgetreue Herstellung sicherstellen“, so Koch. „Das wissen alle, die schon einmal getöpfert haben“, sagt er. Nach dem Brennen sei die Vase plötzlich etwas kleiner, oder der Deckel, der als Grünling noch auf den Topf passte, sei nun verzogen. Das neue Verfahren unterscheide sich von den herkömmlichen nun besonders dadurch, dass beim Schlicker sehr hohe Feststoffgehalte von 73 Volumenprozent eingestellt werden könnten und dessen Fließfähigkeit ohne den Zusatz von Bindemitteln sichergestellt werden könne.
Biokompatible Keramiken – für Produktion von Knochen, Zähnen, Filtern, Katalysatoren …
„Ein großes Anwendungsfeld sehen wir in der Herstellung detailgenauer, biokompatibler Keramikstrukturen zum Beispiel als Knochen- oder Zahnersatzmaterial in der Implantatmedizin“, sagt Birgit Funk, Innovationsmangerin von der Nord-West-Niedersachsen InnoWi GmbH, die das Projekt unterstützt. Der Forschungstrend im Bereich Keramik gehe klar in die Richtung Biomaterialien. Ziele seien hier, die Biokompatibilität und Biofunktionalität von keramischen Implantaten und Knochenersatzmaterialien zu verbessern. „Da bietet die RFG-Anlage gleich zwei Vorteile: Erstens können mit ihr filigrane Strukturen hergestellt werden, die besonders als Knochenersatzmaterial geeignet sind. Und zweitens ist die Porosität des keramischen Werkstoffs beliebig einstellbar.“
Noch erlaubt die RFG-Anlage im Labor unter anderem wegen ihrer recht einfachen Ansteuerung der Achsen nur das Nachbilden eher simpler Geometrien wie Gitterstrukturen. Mit den Fördergeldern kann die Forschergruppe das System nun weiter ausbauen und gemeinsam mit der InnoWi nach Entwicklungspartnern sowie Lizenznehmern suchen. „Wir arbeiten daran, dass wir ausgehend von digitalen 3-D-Datensätzen auch komplexere Bauteile erzeugen können“, sagt Koch. „Wir sind da noch lange nicht am Ende mit unseren Forschungen. In der Entwicklung steckt noch ein großes Potenzial. Das wollen wir erschließen, aber die Verbesserung der Anlagentechnik bedeutet für uns noch eine finanzielle Hürde.“
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