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Haben Sozialhilfeempfänger Darlehensanspruch beim Zahnersatz?

Michael Lennartz

Michael Lennartz

Mi. 24. August 2011

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STUTTGART - Das Landessozialgericht (LSG) in Baden- Württemberg befasste sich in einem Urteil vom 29.06.2011 (L 2 SO 5698/10) mit der Frage, ob ein Sozialhilfeempfänger Anspruch auf Zahlung von Implantatkosten oder Gewährung eines Darlehens zurder Finanzierung implantatgestützten Zahnersatzes hat, wenn er bei einer fortgeschrittenen Kieferatrophie völlig zahnlos ist.

Der Fall

In dem konkreten Fall beantragte ein Sozialhilfeempfänger bei seiner Krankenkasse die Versorgung mit vier ersatzweise mit zwei Implantaten im Unterkiefer und mit vier Implantaten im Oberkiefer, wobei die Gesamtkosten mit „ca. 2.070,00 Euro bis ca. 2.560,00 Euro" beziffert wurden. Ausweislich eines eingeholten zahnärztlichen Gutachtens wurde das Vorliegen einer Ausnahmeindikation für eine Implantatversorgung auch bei atrophierten zahnlosem Kiefer verneint. Im Widerspruchsbescheid führte der Sozialhilfeträger u. a. aus, dass Leistungen der zahnärztlichen Behandlung und einer Versorgung mit Zahnersatz nur erbracht würden, wenn kein vorrangiger Anspruch gegen eine gesetzliche Krankenkasse bestünde. Wegen der bestehenden gesetzlichen Krankenversicherung sei der Sozialhilfeempfänger mit einem derartigen Anspruch ausgeschlossen, wobei dies auch für über Kassenleistungen hinausgehende, mit dem Zahnarzt frei zu vereinbarende Leistungen gelte.

Die Entscheidung

Nachdem sich der Sozialhilfeempfänger mit seinem Wunsch nach einer Implantatversorgung vor dem Sozialgericht Stuttgart nicht durchsetzen konnte, legte er vergeblich Berufung ein. Nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg steht dem Sozialhilfeempfänger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine vollständige Implantatversorgung des Ober- und Unterkiefers zu. Auch ein Anspruch auf Gewährung eines nunmehr ausdrücklich begehrten Darlehens zur Deckung der Kosten der Implantatversorgung scheitere, da es sich bei der Versorgung mit Implantaten nicht um einen im Einzelfall unabweisbaren gebotenen Bedarf handele. Gemäß § 42 S. 2 SGB XII sollten, wenn im Einzelfall ein von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden könne, auf Antrag hierüber notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden. Vorliegend fehle es am Vorliegen eines Einzelfalles im Sinne dieser Regelung. Kieferatrophien würden bei jedem größeren Zahnverlust auftreten und seien deshalb in der Praxis außerordentlich häufig, wie bereits das BSG mit Urteil vom 19.06.2001 (B 1 KR 40/00 R) ausgeführt habe. Die vorliegende Fallgestaltung, dass bei durch Zahnlosigkeit der Kiefer hervorgerufener vollständiger bzw. fast vollständiger Kieferatrophie eine Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz nicht im Leistungsumfang der GKV enthalten sei, gleichwohl eine wirklich befriedigende Versorgung (fester Sitz der implantatgestützten Suprakonstruktion gegenüber einer lockeren / rutschenden Prothese) sich nur durch eine Implantatversorgung erzielen lasse, trete somit in einer Vielzahl von Fällen auf, was derartigen Fällen den erforderlichen Einzelfallcharakter nehme. Das LSG Baden-Württemberg kommt zu dem Entschluss, dass der Sozialhilfeempfänger wie alle gesetzlich Krankenversicherten in diesem Fall auf die Versorgung mit einem „normalen" Zahnersatz zu verweisen sei.

Quelle: Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte, Bonn, Newsletter I-08-2011

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