KÖLN – International vergleichende Umfrage zeigt starke Diskrepanz zwischen Erfahrungen und deren Bewertung.
Weltweit gibt es kein Industrieland, in dem das Gesundheitswesen nicht seit Jahren immer wieder reformiert wird. Doch möglicherweise gehen Patientinnen und Patienten in anderen Nationen entspannter mit den anhaltenden Diskussionen und ständigen Änderungen um als deutsche. Diese Schlussfolgerung legt eine vergleichende internationale Umfrage nahe, die vom Commonwealth Fund, einer privaten Stiftung aus den USA, koordiniert wurde: Zwar sind die Erfahrungen der deutschen Patientinnen und Patienten meist nicht schlecht, im internationalen Vergleich fällt das Urteil hierzulande dennoch negativer aus. Den deutschen Teil der Umfrage hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) betreut.
An der Befragung hatten im Mai 2008 etwa 10.000 zufällig ausgewählte Patienten aus Australien, Kanada, Deutschland, Niederlande, Neuseeland, Großbritannien, Frankreich und USA teilgenommen. Befragt wurden Erwachsene, die über sich selbst angaben, einen schlechten Gesundheitszustand zu haben, an einer chronischen Erkrankung oder Behinderung zu leiden und/oder in den letzten zwei Jahren stationär behandelt oder operiert worden zu sein. Es ging also um Patienten, die besonders engen Kontakt zur Ärzten und Kliniken hatten.
Hälfte der deutschen Befragten sieht grundlegenden Reformbedarf
"Insgesamt zeigt die Befragung, dass Patienten zwar generell gute Erfahrungen machen, sie berichten aber auch in allen Ländern über Dinge, die nicht optimal laufen", sagt Peter Sawicki, Leiter des IQWiG: "Dazu gehören zum Beispiel Probleme der Koordination zwischen Facharzt und Hausarzt und zwischen Krankenhaus und Hausarzt."
Trotz durchaus ähnlicher Erfahrungen fiel die Zufriedenheit mit dem eigenen Gesundheitswesen international stark unterschiedlich aus. 53 % der Befragten in Deutschland fanden die Qualität der Versorgung "gut", die Note "ausgezeichnet" oder "sehr gut" vergaben hier aber nur 34 %. In anderen Ländern wie zum Beispiel England, Kanada und Australien lag dieser Anteil der sehr zufriedenen Befragten fast doppelt so hoch.
Auch wenn sich 87 % der deutschen Befragten zumindest "gut" behandelt fühlten, hielten dennoch 50 % grundlegende Änderungen am Gesundheitssystem für notwendig, weitere 25 % eine komplette Reformierung. Nur in den USA war dieser Anteil größer. Diese Diskrepanz, dass die große Mehrheit der Deutschen sich gut bis sehr gut behandelt fühlt, aber dennoch erheblichen Reformbedarf sieht, wurde auch in einer früheren Umfrage aus dem Jahr 2005 schon beobachtet.
"Unsere Daten sprechen nicht dafür, dass die Behandlungsergebnisse in Deutschland tatsächlich schlechter sind als in den anderen Ländern", sagt Sawicki. Möglich sei, dass Patienten in Deutschland schlicht höhere Erwartungen hätten als Patienten in den anderen Ländern. "Vielleicht trägt aber auch die Art und Weise, wie wir in Deutschland öffentlich über unser Gesundheitswesen diskutieren zur Unzufriedenheit bei", sagt Sawicki: "Solche Umfragen können deshalb helfen, die Qualität des deutschen Gesundheitssystems objektiver in einem internationalen Vergleich zu sehen. Die subjektive Zufriedenheit scheint ja ein Resultat aus Erwartung und Realität zu sein."
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