MÜNCHEN – Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil die Auffassung der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein bestätigt, dass Zahnaufhellungen (Bleaching), die ein Zahnarzt zur Beseitigung krankheitsbedingter Zahnverdunkelungen vornimmt, umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen sind.
Im konkreten Fall hatte sich eine Plöner Zahnarztpraxis mit Unterstützung der Zahnärztekammer gegen den Bescheid des zuständigen Finanzamtes gewehrt. Darin waren sämtliche Bleaching-Leistungen der Praxis im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung auch für zurückliegende Fälle als umsatzsteuerpflichtig eingestuft worden. Die Finanzbehörde hatte nicht unterschieden, ob es sich um rein kosmetische Aufhellungen oder die Beseitigung krankheitsbedingter Verfärbungen handelte. Da eine Nachberechnung der Mehrwertsteuer bei den betroffenen Patienten faktisch ausschied, hätte die Praxis 19 Prozent des Honorarumsatzes verloren.
Da sich das Finanzamt auch von den Stellungnahmen der Zahnärztekammer wenig beeindruckt zeigte und die Einsprüche der Zahnärzte gegen die Bescheide abwies, klagte er vor dem schleswig-holsteinischen Finanzgericht. Das Gericht folgte der Argumentation (AZ: 4 K 179/10 vom 9.10.2014). Demnach sind auch ästhetische Behandlungen Heilbehandlungen, wenn diese Leistungen dazu dienen, Krankheiten oder Gesundheitsstörungen zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen oder die Gesundheit zu schützen, aufrecht zu halten oder wiederherzustellen. Zu diesem Erfolg hatte auch beigetragen, dass die betroffenen Kollegen in der Dokumentation sauber zwischen Aufhellungen aus medizinischer und kosmetischer Indikation unterschieden hatten.
Das Plöner Finanzamt allerdings mochte das Urteil trotz dezidierter und fachlich fundierter Urteilsbegründung nicht anerkennen und ging in Revision. Der Bundesfinanzhof gab nun den klagenden Kollegen Recht, wies die Revision ab und bestätigte das Urteil der Erstinstanz (AZ: V R 60/14 vom 19.03.2015).
Die Zahnbehandlungen, die jeweils eine Verdunkelung des behandelten Zahnes zur Folge hatten, waren medizinisch indiziert und damit umsatzsteuerfrei. Die als Folge dieser Zahnbehandlung notwendig gewordenen Zahnaufhellungs-Behandlungen waren ästhetischer Natur, aber – im konkreten Streitfall belegt – auch medizinisch erforderlich. Sie dienten eben nicht zu rein kosmetischen Zwecken, sondern standen in einem sachlichen Zusammenhang mit der vorherigen Behandlung und dienten damit der Beseitigung der Krankheitsfolge.
Die Steuerbefreiung gilt also nicht nur für Leistungen, die unmittelbar der Diagnose, Behandlung oder Heilung einer Krankheit oder Verletzung dienen, sie umfasst auch Leistungen, die erst als (spätere) Folge solcher Behandlungen erforderlich werden, auch wenn sie ästhetischer Natur sind. So die Auffassung des Bundesfinanzhofes mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil PFC Clinic EU:C:2013:198).
Das Urteil hat nicht nur steuerrechtliche Auswirkungen. Es trägt zugleich dazu bei, den Approbationsvorbehalt für dieses Verfahren zu stärken. So hat die wenig einsichtsfähige Haltung eines Finanzamtes ungewollt einen Beitrag zur Sicherheit der Patientenversorgung geleistet.
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