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Gehirn kann Zahnschmerz kaum lokalisieren

Hirnareale, die bei Stimulation des linken oberen Eckzahnes (orange oder grün) bzw. des linken unteren Eckzahnes (blau oder grün) aktiviert wurden. Es zeigt sich, dass viele Areale durch beide Stimulationsarten aktiviert wurden. Dies fand sich vor allem in Hirnstrukturen des limbischen Systems wie beispielsweise des Cingulums und der Insel. Zu erkennen ist auch Aktivierung der primären sensorischen Rinde S1 in beiden Hirnhälften sowie die relativ geringen Unterschiede zwischen schmerzhaftem Input von Ober- und Unterkiefer. Die beiden Pfeile kennzeichnen die Orientierung rechts-links bzw. anterior-posterior (Grafik: Prof. Dr. C. Forster).
Anja Worm, DT

Anja Worm, DT

Fr. 4. Juni 2010

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ERLANGEN/LEIPZIG – Eine internationale Forschungsstudie untersucht die zentrale Verarbeitung von Zahnschmerz.

Wissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und von der finnischen Universität Turku analysierten mithilfe eines bildgebenden Verfahrens die Gehirnaktivitäten bei einem Schmerzreiz. Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift Pain Ende April veröffentlicht wurden, belegen, warum Patienten nicht sagen können, wo genau der Schmerzherd liegt.

Den Probanden wurden in die Eckzähne, jeweils im Ober- und Unterkiefer, elektrische Impulse geleitet, die  Schmerzen verursachten. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, wie die zentrale Verarbeitung des  Zahnschmerzes ist, und welche Unterschiede es zu anderen Schmerzen gibt. „Wir wollen verstehen, wie  die zentrale Verarbeitung des Schmerzerlebens erfolgt, um diese dann mit pathologischen Formen zu  vergleichen, zum Beispiel bei Patienten mit chronischem Schmerz“, so der Leiter der Forschungsstudie Prof. Dr. Clemens Forster vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Universität Erlangen  gegenüber der Dental Tribune. Wenn erforscht sei, welche neurochemischen Prozesse durch den  Schmerz ausgelöst werden, könne man versuchen, pharmakologisch einzugreifen.

Reflex geht verloren Das internationale Forscherteam fand heraus, dass viele Hirnareale, die die  Steuerung der Aufmerksamkeit und der autonomen Reflexe regulieren, vom Zahnschmerz betroffen sind. Auch auf der Region des Hirnstammes, auf dem Kerne zur Steuerung der Kopfmotorik – dazu  gehört auch der Speichelfluss – aktiviert werden, haben die Forscher Reflexe erfassen können. Das  wichtigste Ergebnis ist jedoch, dass die kortikale Aktivierung der Schmerzen im Unter- und Oberkiefer  ähnlich ist. Das Gehirn kann also kaum unterscheiden, ob ein Zahnschmerz vom Ober- oder vom  Unterkiefer ausgeht. Noch auf der ersten Verarbeitungsstufe, im trigeminalen Kern des Hirnstammes, sei laut Prof. Dr. Forster die Somatotopie – also eine räumlich deutlich getrennte Verarbeitung des  Inputs aus Ober- und Unterkiefer – nachweisbar. „Diese Trennung geht offensichtlich verloren auf dem  Weg in den Kortex“, sagte der Studienleiter. „Eine Erklärung für die fehlende kortikale Somatotopie  könnte sein, dass diese Areale von gesunden Zähnen wenig Input erhalten, der aber für die Ausbildung  einer Somatotopie wie bei einem Lernvorgang erforderlich ist. Andererseits ist das vielleicht ganz gut so, denn viel Input aus der Zahnpulpa würde viel Schmerz bedeuten.“

Dem Zahnschmerz „ausgeliefert“
Zahnschmerzen unterscheiden sich von den meisten gängigen Körperschmerzen. Die Ursache dafür  liegt in der Innervation der Zahnpulpa, die aus unmyelinisierten oder dünn myelinisierten Fasern  besteht. „Bei Reizung der Pulpa fehlt somit der Input von Mechanosensoren, der bei Hautschmerz praktisch immer dabei ist“, so Prof. Dr. Forster. „Diese Schmerzform ist bei den meisten Menschen mit  einer gewissen Aversion verbunden, was übrigens für praktisch alle Schmerzen gilt, die aus dem  viszeralen Bereich stammen, wozu auch die Mundhöhle gehört.“ Anders als Schmerzen, die durch eine  äußere Einwirkung bedingt sind, fühle man sich dem Zahnschmerz „ausgeliefert“.

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