GÜTERSLOH - Die gesetzlich Versicherten halten die Verwaltungskosten der Krankenkassen für eine der Hauptursachen der Kostenexplosion im deutschen Gesundheitswesen - und liegen damit falsch.
Dem Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung zufolge gehen diesem Irrglauben rund 60 Prozent nach. Tatsächlich liegen die Kosten seit Jahrzehnten bei moderaten 5 bis 6 Prozent. Nicht nur an dieser Stelle in der Gesundheitspolitik haben offenkundig Mythen die Fakten in den Hintergrund gedrängt. Und von einer Kostenexplosion, von der fast jeder Versicherte (94%) mindestens schon einmal gehört hat, kann keine Rede sein: Zwar soll der Beitragssatz wieder steigen, aber die Ausgaben der Kassen im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt verharren seit zehn Jahren bei rund 7%.
Nach den Ergebnissen des Gesundheitsmonitors vermutet fast jeder Dritte (38%) den medizinisch technischen Fortschritt in Verbindung mit längerer Lebenserwartung als weitere Ursache hinter der angeblichen Kostenexplosion, und fast jeder Fünfte (19%) sieht die Begründung in zu hohen Einnahmen von Ärzten und Kliniken. Richtig ist hingegen, dass die steigenden Kosten im Alter weniger mit Lebensjahren als mit der Nähe zum Tod zu tun haben. Und auch die Ausgaben für die ambulante ärztliche Versorgung sind nicht etwa gestiegen, sondern liegen seit langer Zeit zwischen 17 und 18% der Kassenausgaben.
Der aktuelle Gesundheitsmonitor belegt, wie sehr solche Mythen verbreitet sind. So ist nahezu jeder dritte gesetzlich Versicherte (32%) von mindestens fünf Mythen überzeugt - darunter weit überproportional viele Beschäftigte des Gesundheitswesens, wie Ärzte, Pflegekräfte oder Krankenhausangestellte. Zudem zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Glauben an gesundheitspolitische Mythen und der häufigen Lektüre gängiger Informationsquellen, wie Krankenkassenzeitschriften, Tageszeitungen oder Apothekenzeitschriften.
"Der Bürger muss über die tatsächlichen Zusammenhänge in unserem Gesundheitssystem aufgeklärt werden", bewertet Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, die Ergebnisse des Gesundheitsmonitors. Als Grund für die mangelnde Aufklärung nennt sie die vielen unterschiedlichen Akteure, von denen vermutlich nur wenige einen interessenpolitisch ungetrübten Wunsch nach Entzauberung aller Mythen haben. "Diese Mythen zeigen, wie dringend erforderlich es ist, dass mehr Transparenz geschaffen wird, um den Bürgern die Chance zu geben, als mündige Patienten auch in Sachen Gesundheitspolitik agieren zu können", so Mohn.
Der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung hat dieses Jahr knapp 1.800 Personen zu aktuellen Themen im Politikfeld Gesundheit befragt. Die Befragten repräsentieren den Bevölkerungsdurchschnitt. Aufgrund der Komplexität der Fragen wurden diese schriftlich beantwortet.
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