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ZÄK Berlin zeigt Einsatz für mundgesunde Kinder

Frühkindliche Karies als Zeichen für Vernachlässigung: Bei der Fachkonferenz im Rathaus Charlottenburg-Wilmersdorf referierten und diskutierten (von links) Dr. Marlies Sturm/ZÄD, Detlef Kolbow/Kinderschutzbeauftragter, OA Dr. Reinhard Schilke/MHH, Dr. Michael Dreyer/ZÄK und Moderatorin ZÄ Inis Adloff/Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales© ZÄK Berlin
ZÄK Berlin

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Do. 1. November 2012

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BERLIN - Die Zahnärztekammer Berlin wurde jetzt im Rahmen der Fachkonferenz "Mundgesundheit und Vernachlässigung" für ihr jahrelanges Bemühen, Familien für primärpräventive Maßnahmen zu erreichen, gewürdigt.

„Seit Inkrafttreten des Berliner Gesetzes zum Schutz und Wohl des Kindes“, so beschreibt der neue Beauftragte für Fragen des gesundheitlichen Kinder- und Jugendschutzes des Landes Berlin, Detlef Kolbow, den Hintergrund der 1. Fachkonferenz ‚Mundgesundheit und Vernachlässigung’ am 10. Oktober 2012 in Berlin, „sind die Gesundheitsämter im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung verpflichtet, gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen zu erkennen, mit Akteuren (erfahrene Fachkraft, Kinderschutzkoordination Ges/Jug) im Rahmen der Gefährdungseinschätzung zu erörtern und entsprechend zu handeln (Fallabgabe etc.). Es hat sich gezeigt, dass im Hinblick auf zahnmedizinische Vernachlässigung von Kindern als Folge einer chronischen bewussten oder unbewussten Unterversorgung durch die Eltern Unsicherheiten zwischen den einzelnen Akteuren in der Gefährdungseinschätzung bestehen. Die gemeinsame Fortbildung der Gesundheits- und Jugendämter im Rahmen des ‚Netzwerk Kinderschutz’ soll dazu beitragen, diese Unsicherheiten in der Einschätzung abzubauen.“
 
Die Hoffnungen seitens Detlef Kolbow an diese erste Fachkonferenz sollten bei weitem übererfüllt werden: An der Tagung nahmen nicht nur Repräsentanten der ärztlichen und zahnärztlichen Bereiche der Gesundheitsämter teil, sondern auch vielfältige weitere Experten zur Thematik. Als Ehrengäste begrüßt wurden dabei Dr. Michael Dreyer als Vizepräsident der Zahnärztekammer Berlin und Rainer Grahlen als Geschäftsführer der LAG, beiden Organisationen wurde im Verlauf der Veranstaltung mehrfach für ihren förderlichen Einsatz gedankt. Das interdisziplinär besetzte Auditorium trug mit dazu bei, dass die Bedeutung der Zahnmedizin als Indikator für Kindesvernachlässigung, aber auch als großes Potential in der Prävention auf neue aufmerksame Zuhörer traf – bereits vor Ort verbanden sich neue Fäden zu einer weiteren Stabilisierung des Netzwerkes Kinderschutz: Unter anderen boten Repräsentanten des Berufsverbandes der Kinderärzte und auch der Sozialarbeiter, die in die jungen Familien gingen, Dr. Dreyer an, Kenntnis und Verbreitung des mehrfach gelobten Berliner KinderZahnPasses als festen Bestandteil der sogenannten „U-Hefte“ in den eigenen Bereichen zu verstärken und eine noch gezieltere Distribution zu unterstützen.
 
Gesellschaftliche Verantwortung

Was bei dieser Veranstaltung deutlich wie selten formuliert wurde: Karies, zumal bei kleinen Kindern, ist zwar eine zahnärztliche Aufgabe, in den Ursachen aber ein gesellschaftliches Problem, das daher von einer großen Trägerbreite an Organisationen gelöst oder gemindert werden muss. Dass das Land Berlin der Mundgesundheit eine derart große Rolle einräumt, machte die Positionierung von Detlef Kolbow deutlich: „Gesunde und gepflegte Zähne sind nicht nur für das Aussehen wichtig, sondern für die Gesundheit im ganzen Leben. Der Karies vorzubeugen ist eines der wichtigsten Ziele unseres Hauses.“ Das Netzwerk Kinderschutz sei nun auf die Arbeitsebene gesetzt und diene auch den betroffenen Eltern insbesondere in sozial schwachen Bereichen, die das Engagement des Staates ausdrücklich begrüßten. Es ginge darum, Kinder nicht nur zu erfassen, sondern vor allem, hilfreiche Maßnahmen anzubieten: „Wir müssen die Potentiale der Eltern und ihrer Kinder stärken!“ Dank gelte den Zahnärztlichen Diensten, der LAG und auch der Zahnärztekammer für das jahrelange Bemühen, die Familien für primärpräventive Maßnahmen zu erreichen. Das neue Bundeskinderschutzgesetz habe nun mehr Sicherheit geschaffen, sich trotz Schweigepflicht unterstützend einbringen zu können. Kolbow: „Ein Zahnkonzept für alle neugeborenen Kinder wird sinnvoll sein!“
 
Fachvortrag: Erkenntnisprozess und Optimierungsbedarf in der Zahnärzteschaft

Über seinen eigenen Lernprozess zum Thema „Vernachlässigung“ (im Gegensatz zu Misshandlung ein längerdauernder Prozess) berichtete in einem Fachvortrag OA Dr. Reinhard Schilke /Medizinische Hochschule Hannover. Er habe in seiner Klinikzeit in der Kinderzahnheilkunde lange Zeit überwiesene Kinder auftragsgemäß unter Vollnarkose saniert, bis ihm aufgefallen sei, dass manche Kinder nie zur Nachsorge, sondern in Abständen zur nächsten ITN kommen. Aus seiner Erkenntnis „da läuft grundsätzlich etwas schief“ entwickelte sich sein dezidiertes Engagement für die Prävention solcher Situationen. Einer präsentierten Umfrage zufolge sind derzeit weder das Bewusstsein noch die Fähigkeiten zum Erkennen und Korrigieren von Vernachlässigungen sowohl bei Kinderärzten als auch bei Zahnärzten ausreichend vorhanden. Orale Probleme sah demnach zwar jeder zweite Arzt, aber nur jeder dritte Zahnarzt als ein Zeichen für generelle Vernachlässigung, und auch eingeschaltete Jugendämter bezeichneten sich als überfordert. Insbesondere die ersten vier Lebensjahre seien für Kinder aber extrem riskant. Lange überholte zahnärztliche Positionen, aber auch inadäquate kinderzahnärztliche Honorierung hielten die problematische Situation leider aufrecht: „Jeder 2. Zahn, der als krank erhoben wurde, ist laut Studien nicht heil gemacht – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.“ Wie notwendig  enge Vernetzung und striktes Recall sind, zeigte er an einem englischen Mädchen, das schließlich den Folgen von Vernachlässigung erlegen war, obwohl acht verschiedene Institutionen involviert waren. Mit Blick auf deutsche Daten meinte er: „Es ist eher Zufall, dass Kinder vor dem 3. Lebensjahr zahnärztlich untersucht und gefördert werden!“ Der Berliner KinderZahnPass sei der richtige Weg: „Im U-Heft wird erst mit 3 Jahren auf die Untersuchung von Mund und Zähnen hingewiesen“, hier spiele der Befund ‚große Zunge’ als Kriterium eine unverständliche Hauptrolle. Dr. Schilke: „Kinderärzte kennen sich nach eigenem Bekunden eher wenig mit Karies aus. Was erzählen sie dann den Eltern, zumal drei von vier Kinderärzten Vererbung für vergleichbar relevant halten wie die Mundhygiene und die Ernährung?“ Sein klarer Auftrag an die Konferenzteilnehmer: „Es ist entscheidend, dass das Kind früh in die Praxis kommt!“
 
Zahnärztekammer: „Hervorragendes Signal“

Dr. Dreyer bedankte sich bei den Veranstaltern für das hervorragende Signal und die Einladung zum Schulterschluss, die die Zahnärztekammer sehr gern annehme. Man werde die Kollegen zeitnah für das Thema und die Aufgaben des Berufsstandes sensibilisieren. Das Auditorium bat er um Information zu fehlenden KinderZahnPässen, damit Kammer und KZV in Zusammenarbeit mit der KV Berlin die Versorgungslücken schließen könnten. Dies sei auch mit Blick auf die sehr unglückliche Situation bei der Behandlung von Kindern unter ITN notwendig: Wenn das Budget nicht ausreiche, die Versorgung adäquat auch für die Anästhesisten zu sichern, gebe es nur eine Lösung: „Es muss vorher etwas passieren in der Prävention, ehe Narkose überhaupt nötig wird!“ Dass ein erster konkreter Schritt zu mehr Hilfe für die betroffenen Eltern gemacht wurde, war klares Ergebnis der Veranstaltung, die fortgesetzt werden soll. Die Zahnärztekammer, das machte Dr. Dreyer deutlich, werde ein kontinuierlicher Partner sein.

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