DT News - Germany - BZÄK: Gesundheitspolitische Positionen

Search Dental Tribune

BZÄK: Gesundheitspolitische Positionen

BZÄK

BZÄK

Di. 19. Januar 2010

Speichern

BERLIN - Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat ein Positionspapier für ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen veröffentlicht.

Das vorrangige Ziel der modernen Zahnheilkunde als integraler Bestandteil der Medizin bleibt, allen sich uns anvertrauenden Menschen den langfristigen Erhalt und die Verbesserung der individuellen Mundgesundheit zu gewähren. Die präventiven Erfolge besitzen mittlerweile Vorbildcharakter für viele Bereiche der Gesundheitsversorgung. Mit Blick auf die Bedeutung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist es für die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) daher entscheidend, dass jeder Bürger wohnortnah Zugang zu qualitativ hochwertiger zahnärztlicher Versorgung erhält. Garant hierfür sind gut ausgebildete und qualifizierte Zahnärzte sowie zahnärztliche Mitarbeiter in ihrer Zusammenarbeit im zahnärztlichen
Praxisteam. Zur Sicherung und Weiterentwicklung der Zahnheilkunde zum Wohl der Patienten erwartet die BZÄK verbesserte gesundheitspolitische und strukturelle Rahmenbedingungen.

Dieses Papier ist die gesundheitspolitische Positionierung der BZÄK im Nachgang der Bundestagswahlen im September 2009. Es handelt sich dabei um Erwartungen und Grundsätze, auf deren Grundlage wir die gesundheitspolitische Diskussion in Deutschland weiterführen wollen. Die Bundeszahnärztekammer unterstützt die Bundesregierung in ihrer Absicht, die Freiberuflichkeit der Zahnärzte und Ärzte als Basis der Gesundheitsversorgung und Therapiefreiheit zu stärken, denn wir sehen darin eine bewährte Grundlage, die auch den sozialpolitischen und medizinischen Herausforderungen unserer Zeit standhält. Diese stellen sich durch zunehmende wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten, die Effekte der Globalisierung, die Alterung der Bevölkerung sowie die Folgen der Innovation und der wissenschaftlichtechnologischen Entwicklung.

Positionen der Bundeszahnärztekammer

Faire Rahmenbedingungen für eine freiberufliche Ausübung der Zahnheilkunde
Die Bundeszahnärztekammer erwartet zuverlässige Rahmenbedingungen für eine freiberufliche Ausübung der Zahnheilkunde, die sowohl die wirtschaftlichen als auch die fachlich-ethischen Notwendigkeiten des Zahnarztberufs angemessen berücksichtigen. Für die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) spricht sie sich für die Befreiung von der Konjunkturabhängigkeit und für die Entkoppelung vom Faktor Arbeit sowie für die Berücksichtigung der demographischen
Entwicklung aus. Im Detail erwartet die BZÄK:
• Erhalt der freiberuflichen Selbstverwaltung und damit Stärkung einer unabhängigen,
eigenverantwortlichen und nicht gewerblichen zahnärztlichen Berufsausübung
als Voraussetzung für ein freiheitliches Gesundheitswesen, das
den Patienten in den Mittelpunkt stellt.
• Garantie der freien Arztwahl.
• Erhalt einer wohnortnahen, individuellen zahnärztlichen Versorgung.
• Abschaffung des Gesundheitsfonds mit seiner zentralistisch organisierten Steuerung des Gesundheitswesens.
• Schrittweise Einführung der kapitalgedeckten Finanzierung einer zukünftigen Krankenversicherung, welche demographische Veränderungen, soziale Aspekte, den medizinisch-technischen Fortschritt und einen fairen Wettbewerb der Kostenträger berücksichtigt sowie das Beitragsaufkommen vom Faktor Arbeit entkoppelt.
• Erweiterung des sozial gerechten Systems befundabhängiger Festzuschüsse.
• Einführung der Kostenerstattung für die gesamte ambulante Zahnheilkunde anstelle des Sachleistungsprinzips.
• Novellierung der Approbationsordnung für Zahnärzte.
• Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), die den Anforderungen an eine wissenschaftlich fundierte und präventionsorientierte Zahnheilkunde gerecht wird und deren Leistungen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewertet sind.
• Entbürokratisierung und mehr Transparenz im Gesundheitswesen.
• Schutz der ärztlichen Schweigepflicht.
• Neukonzeption der elektronischen Gesundheitskarte.

Bei der notwendigen Reform des Gesundheitssystems sollten nachfolgende Grundsätze berücksichtigt werden:

1. Erhalt und Stärkung der zahnärztlichen Freiberuflichkeit und der freiberuflichen Selbstverwaltung
Die zahnärztliche Freiberuflichkeit, die sich auf professionelle Eigenverantwortung und Kompetenz, Therapiefreiheit in fachlich-medizinischer und ethisch-sozialer Bindung und die besondere Vertrauensbeziehung zum Patienten gründet, ist Voraussetzung für ein fortschrittliches Gesundheitswesen. Die freiberufliche Selbstverwaltung der Heilberufekammern hat sich trotz staatlicher Interventionen und Restriktionen als Garant professioneller Fachkompetenz, bedarfsgerechter und gleichmäßiger Versorgung und sozialer Verantwortung bewährt. Dies bestätigt auch das Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Selbstverwaltung entlastet den Staat und ist Ausdruck einer subsidiär gegliederten, freiheitlichen Gesellschaft. Sie bedarf eines Gestaltungsraumes, um patienten-, problem-, und sachnah die zahnmedizinische Versorgung und sowohl die Qualität der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Zahnärzte und zahnärztlichen Mitarbeiter als auch die der Berufsausübung zu gewährleisten und innovativ aus dem Berufsstand heraus weiterzuentwickeln.

2. Erhalt der Patientenautonomie und der freien Arztwahl
Die Freiheit der Arztwahl als elementares Recht des Patienten ist durch politisch zugelassene Einkaufsmodelle der Krankenkassen, die zur Fremdbestimmung von Ärzten und Patienten führen würden, akut gefährdet.
Die Selbstbestimmung des Patienten und die freie Arztwahl bezüglich der Leistungen, die der Patient in einem Versorgungssystem in Anspruch nehmen will, gehören zu den Grundbedingungen eines freiheitlichen Gesundheitswesens. Die freie Arztwahl ist Voraussetzung für die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient.
• Erhalt einer wohnortnahen individuellen zahnärztlichen Versorgung
Nur die Berufsausübung in freier Praxis gewährleistet eine bürgernahe zahnärztliche Versorgung. Die demographische Entwicklung mit zunehmend höherer Lebenserwartung und die zahnärztlichen Erfolge in der Prävention bedingen einen zunehmenden Betreuungsbedarf im höheren Lebensalter. Für diese Bevölkerungsgruppe ist eine wohnortnahe Versorgung in gewohnter Umgebung und bei einem vertrauten Praxisteam sehr wichtig.

3. Freiberuflicher Wettbewerb statt Einkaufsmonopole – Individuelle Patientenentscheidung statt kollektiver Bevormundung
Die Bundeszahnärztekammer bejaht den patientenorientierten, freiberuflichen Wettbewerb, in welchem die Zahnärzte untereinander stehen sowie den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um den mündigen Patienten. Dieser muss sich frei für den ihm nach Leistung und Preis individuell geeigneten Arzt seines Vertrauens entscheiden und sich eigenverantwortlich seine Behandlung wählen können. Eine Einheitsversicherung würde diesem Bestreben zuwiderlaufen.

4. Den sogenannten „Gesundheitsfonds“ abschaffen – Pflicht zur Versicherung
Die Bundeszahnärztekammer lehnt den sogenannten „Gesundheitsfonds“ ab, denn das deutsche Gesundheitssystem ist durch den Fonds deutlich in Richtung eines zentralistischen, staatsgesteuerten Einheitskassensystems verschoben worden. Der Fonds löst weder die strukturellen noch die finanziellen Probleme der GKV. Stattdessen fordert die Bundeszahnärztekammer einen Umbau des Systems, das sich vorrangig am medizinischen Grundbedarf des Versicherten orientiert und die Eigenverantwortung des Patienten in den Vordergrund stellt. Die Einführung kapitalgedeckter Finanzierungsstrukturen kann das Versicherungssystem perspektivisch demographiefester machen.

5. Befundorientierte Festzuschüsse und Kostenerstattung für weitere Bereiche der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Für weitere Gebiete der Zahnheilkunde sollte zukünftig ein befundabhängiges Festbetrags-System gelten. Den Patienten wird so der Zugang zu einer über die rein funktional notwendige zahnmedizinische Versorgung hinausgehende, auf aktuellem wissenschaftlichen Niveau etablierte Zahnmedizin ermöglicht, ohne dass die Patienten den Anspruch auf eine Grundabsicherung verlieren. Durch Festzuschüsse als Steuerungsinstrument wird eine gerechte und sozial angemessene Verteilung der Mittel erreicht.

6. Kostenerstattung einführen – Sachleistung abschaffen
Weiterer Kernpunkt einer Reform des Gesundheitssystems muss die Umstellung des derzeit in der GKV praktizierten Sachleistungsprinzips auf ein Kostenerstattungsprinzip darstellen. Das Gesundheitssystem kann nur durch mehr Transparenz, die mit einer Umstellung auf das Kostenerstattungsprinzip einhergeht, effizienter gestaltet werden. Das Kostenerstattungsprinzip macht das deutsche Versicherungssystem europatauglich, indem es grenzüberschreitend die Leistungsnachfrage und deren Erbringung erleichtert. Die Einführung des Kostenerstattungsprinzips muss mit einer Beseitigung der Beschränkung auf die Vertragszahnärzte einhergehen. Die sogenannte
Inländerdiskriminierung, die dadurch entsteht, dass GKV-Versicherte im Inland nur Vertragszahnärzte aufsuchen dürfen – bei sonst freier Arztwahl im EU-Ausland –, wird damit beseitigt. Im Rahmen der zahnmedizinischen Leistungen wäre eine Kostenerstattung in Höhe der Festzuschüsse zu gewähren.

7. Novellierung der Approbationsordnung für Zahnärzte ist überfällig
Der Wissenschaftsrat zur Weiterentwicklung der Zahnmedizin in Deutschland hat in seinem Gutachten bereits im Jahre 2005 Defizite in der zahnärztlichen Lehre und Forschung analysiert. Die Bundeszahnärztekammer fordert zur Sicherung einer qualifizierten Aus- und Weiterbildung an den Universitäten entsprechende finanzielle und strukturelle Ressourcen. Auch die von Berufsstand und Wissenschaft gemeinsam erarbeitete neue Approbationsordnung (AppO-Z) sollte zügig vom Gesetzgeber umgesetzt werden, um den Wissenschaftsstandort Deutschland auf dem Gebiet der
Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht von internationalen Entwicklungen abzukoppeln.

8. Budgets im Gesundheitssystem abschaffen
Die Gesundheitsversorgung hat eine große wirtschaftliche Bedeutung für Arbeitsund Ausbildungsplätze und als Wachstumsmarkt. Finanzielle Limitierungen führen neben medizinischen Rationierungen auch zur Vernichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, vor allem für Frauen. Eine Umstellung des zahnmedizinischen Versorgungssystems auf befundabhängige Festzuschüsse mit Kostenerstattung macht jedwede Budgetierungsreglungen überflüssig.

9. Leistungsgerechte Honorierung und zukunftsorientierte Leistungsbeschreibung
Die Bundeszahnärztekammer fordert eine Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), die den Anforderungen an eine wissenschaftlich fundierte und präventionsorientierte Zahnheilkunde gerecht wird und die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen bewertet ist. Jeder Patient besitzt das Recht auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt, den eine Gebührenordnung stimmig abbilden muss. Die novellierte GOZ muss Freiheitsgrade erhalten, wie sie auch bei anderen freien Berufen üblich und
bewährt sind.

10. Abbau von überflüssiger staatlicher Kontrollen der Berufsausübung
Die Überbürokratisierung berührt alle Bereiche der zahnärztlichen Tätigkeit und behindert diese in hohem Maße. Eine Vielzahl von Dokumentationspflichten geht mit dem Rückgang reiner Behandlungszeit am Patienten einher. Deshalb fordert die Bundeszahnärztekammer, die direkte staatliche Kontrolle der zahnärztlichen Berufsausübung abzubauen bzw. auf diese zu verzichten. Die freiberufliche Tätigkeit beinhaltet eine Verantwortung, die es ermöglicht, dass Vorgaben von der Selbstverwaltung und den Praxen eigenverantwortlich übernommen werden können.

• Schutz der ärztlichen Schweigepflicht als das höchste Gut einer individuellen Arzt-Patientenbeziehung
Eine erfolgreiche Wiederherstellung der Gesundheit durch ärztliche und zahnärztliche Therapie basiert auf einer vertrauensvollen Kooperation von Arzt und Patient. Wenn der Patient um die Sicherheit der dem Arzt anvertrauten Gesundheitsdaten fürchten muss, besteht die Gefahr, dass er in der Anamnese krankheitsrelevante Angaben zurückhält.

11. Neukonzeption der elektronischen Gesundheitskarte
Das Projekt elektronische Gesundheitskarte bedarf dringend einer Neuausrichtung dahingehend, dass der medizinische Nutzen der Telematik in den Vordergrund gestellt wird. Die Praktikabilität und Sicherheit der Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte muss durch evaluierte Tests nachgewiesen werden. Die zukünftige Telematikinfrastruktur muss einerseits den Datenschutz- und Datensicherheitsstandards genügen, andererseits aber auch praktikable Prozesse bei den Zahnärzten
und Versicherten gewährleisten. Statt der Ausrichtung auf zentrale Datenhaltungen muss die intersektorale Kommunikation für medizinische Anwendungen bis hin zur Telemedizin im Fokus stehen.
 

To post a reply please login or register
advertisement
advertisement