Interview mit Dr. Martin Rickert, Vorsitzender des Vorstandes des Verbandes der Deutschen Dentalindustrie, über die Situation in der Dentalwirtschaft und die Internationale Dentalschau (IDS) 2009.
Herr Dr. Rickert, die Prognosen des VDDI zu Beginn dieses Jahres fielen sehr positiv aus. Hat sich diese Einschätzung mit Hinblick auf die derzeitige Krise im Finanz- und Wirtschaftssektor geändert?
Nein, nicht grundsätzlich, denn wie Sie richtig sagen, handelt es sich in erster Linie um eine Finanzkrise, die auf den Wirtschaftssektor übergreift. Die Aussichten unserer Industrie für das Jahr 2008 waren gut, sie tendieren jetzt auf stabile Umsätze hin, die nicht alle Erwartungen erfüllt haben, aber durchaus noch zufriedenstellende Geschäftsergebnisse zeitigten. Unterschiede gibt es in verschiedenen Marktsegmenten
und auf verschiedenen Weltmärkten, die Ursachen liegen in unterschiedlichen Bereichen und können nicht einer Ursache genau zugeordnet werden.
Zahnimplantate sowie die automatisierte Herstellung von Zahnersatz gehören derzeit zu den wachstumsstärksten Bereichen in der Zahnmedizin. Wird sich dieser Boom zur IDS bestätigen und in welchen anderen Bereichen sehen sie Potenzial?
Der implantatgetragene Zahnersatz ist tatsächlich einer der Wachstumsmärkte, denn wir hatten zuletzt mehr als 700.000 in Deutschland gesetzte Zahnimplantate, in der Vergangenheit waren Steigerungen von rund 10–15 % jährlich zu verzeichnen. Diese besonders hochwertige Versorgung wird auch in Zukunft von vielen Patienten nachgefragt werden, denn sie gehören zu den sehr zukunftsorientierten und
langlebigen Versorgungsformen, übrigens verdanken die Dentalimplantate in Deutschland einen großen Teil ihres Wachstums der Tatsache, dass die GKV seit der Einführung des Festzuschusssystems 2005 diese Versorgung auch fördert – die IDS wird die ganze Bandbreite der modernen Implantologie darstellen und Neuentwicklungen sowie bewährte weiterentwickelte Systemlösungen präsentieren.
Daneben gibt es Wachstumspotenziale u. a. im Bereich der vollkeramischen Restaurationen. Neueste Varianten digitaler Fertigungstechnologien sind Laser-Metall-Schmelzverfahren unter Verwendung von – meist edelmetallfreien – Metallpulver-Legierungen für die Prothetik.
Der Exportanteil der deutschen Dentalindustrie hat sich im Jahr 2007 wieder um ca. zwei Prozent auf etwa 55 Prozent erhöht und trägt damit überdurchschnittlich zum Gesamtumsatz bei. Verliert der Binnenmarkt an Bedeutung?
Auf keinen Fall, denn Deutschland ist unser wichtiger Heimatmarkt und unverzichtbarer Leitmarkt. Hier entwickelt und forscht die deutsche Dentalindustrie mit den zahnmedizinischen Instituten an den Universitäten und den Fach- und Meisterschulen der Dentaltechnik neue Produkte und Dienstleistungen. Wir brauchen diesen Markt, um Produkte in Partnerschaft mit den Leistungserbringern und Anwendern einzuführen, denn durch das hohe Versorgungsniveau und die unbestritten hochklassige deutsche Zahnmedizin und Zahntechnik machen diese Beispiele Schule für den europa- und weltweiten Einsatz in Praxis und Labor.
Überdies erklärt sich ein Teil der Anteilsverschiebung der Umsätze dadurch, dass, trotz positiven Wachstums im Heimatmarkt, die Marktstellung in ausländischen Dentalmärkten aber überproportional gut ausgebaut werden konnte. Allerdings muss auch in Zukunft auf dem Heimatmarkt Deutschland gewährleistet sein, dass sowohl Zahnärzte als auch Zahntechniker eine angemessene Honorierung ihrer Leistungen erhalten, denn nur so ist gewährleistet, dass wir junge Menschen in die Gesundheitsberufe hineinbringen, Abwanderung von Fachkräften verhindern und letztendlich die Patienten nicht vom Fortschritt in der Zahnmedizin und Zahntechnik abkoppeln.
Deutsche Patienten werden durch die Einführung des Gesundheitsfonds zusätzlich belastet. Wird dies Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf die gesamte Branche haben?
Von der Einführung des Gesundheitsfonds ist nicht nur eine Belastung der Versicherten zu erwarten, er bringt auch einen Zuwachs an Bürokratie mit sich, den wir alle mit bezahlen müssen. Der Schätzerkreis zum Gesundheitsfonds 2009 befürchtet auf Grundlage seiner Berechnungen vom Dezember 2008 ein Einnahmenloch von 440 Millionen Euro!
Deutliche negative Auswirkungen sind m. E. aber auch von der neuen Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ neu) zu erwarten, die seit 2009 die Grundlage für die privatzahnärztliche Abrechnung bildet. Denn, wie uns die deutschen Zahnärzteverbände vorrechnen, sind hier erhebliche Abstriche in der Honorierung zu befürchten. Wenn man bedenkt, dass schon jetzt ein hoher Anteil des gesamten Praxisumsatzes von den Privatpatienten erbracht wird und dadurch für den Erhalt der Praxis überaus wichtig sind, ist nicht zu verstehen, warum nach 21 Jahren die Zahnärzteschaft mit einer Erhöhung der Punktwerte um nur 0,46% abgespeist werden soll.
Sie sind selbst sehr viel im Ausland unterwegs, um die IDS zu vermarkten. Wie nimmt man die Veranstaltung inzwischen dort war?
Die IDS ist der internationale Branchentreff. Sie ist seit vielen Jahren in der internationalen Dentalbranche als Kommunikations- und Marketingplattform fest etabliert. Wir haben dies bei allen internationalen Pressekonferenzen gemerkt, die wir in Japan, Russland, USA und China gemeinsam mit der Koelnmesse veranstaltet haben. Überall haben wir großes Interesse und Sympathien zu spüren bekommen. Wir haben Lob für die gute Aufenthaltsqualität, die sorgfältige Organisation und die Internationalität der Messe erhalten.
Erschienen in der Dental Tribune German Edition 2+3/2009
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