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Herausforderung: Frühkindliche Karies

Von links nach rechts: Prof. Reinhard Hickel, Prof. Dr. Christian Hirsch, Dr. Johanna Kant, Dr. Sabine Bertzbach.
Jeannette Enders, DTI

Jeannette Enders, DTI

Mo. 13. Juli 2009

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MÜNCHEN/LEIPZIG – Mehr als 1.200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 75 Ländern reisten vom 17. bis 20. Juni 2009 nach München zu dem – erstmals in Deutschland durchgeführten – 22. Internationalen Kongress der Kinder- und Jugendzahnheilkunde (IAPD). Auf einer Pressekonferenz am Rande der 16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGK) kündigte Tagungspräsident Prof. Dr. Reinhard Hickel nicht ohne Stolz mehr als 500 Referate und Postervorstellungen zur weit umfassenden Thematik der Kinder- und Jugendzahnheilkunde an, welche aufgrund des enormen Umfangs im Münchener Gasteig auf bis zu fünf Parallelveranstaltungen präsentiert wurden.

 Prof. Dr. Christian Hirsch, Präsident der DGK, hob die Notwendigkeit einer stärkeren Fokussierung auf die Kinderzahnheilkunde in Deutschland hervor, um die Versorgung der jungen Patienteninnen und Patienten zu verbessern). Außerdem wiesen DGK und Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ) erneut auf die derzeit inakzeptablen Rahmenbedingungen für die ambulante zahnärztliche Versorgung von Kleinkindern mit schweren Gebisszerstörungen sowie von Patienten mit Behinderungen in Narkose hin und appellierten an Politiker, Krankenkassen und alle beteiligten Verbände, das Recht auf zahnärztliche Versorgung von Kinderpatienten und Patienten mit Behinderungen dauerhaft zu gewähren und zu sichern.

„Es ist uns ein Herzensanliegen, die Kinder- und Jugendzahnmedizin in Deutschland in einem internationalen Rahmen würdig zu repräsentieren.“ Mit diesen Worten kündigten die Gastgeber, Tagungspräsident Prof. Reinhard Hickel, Prof. Christian Hirsch, Präsident der DGK, sowie Prof. Anna Fuks, Präsidentin der IAPD, den 22. Kongress, welcher im Zweijahresrhythmus weltweit an unterschiedlichen Orten ausgerichtet wird, bereits im Vorfeld an. Die zahlreich angereisten Gäste aus dem In- und Ausland konnten sich von einem herausragenden wissenschaftlichen Kongress in München überzeugen und sind ein deutliches Signal für das große fachliche Interesse an der Kinderzahnheilkunde und angrenzender Fachgebiete. Hickel sprach von der bisher größten Veranstaltung, die sich deutlich in der Internationalität und im Umfang von den bisher stattgefundenen Kongressen abhebt. Gäste aus 75 Ländern reisten vorrangig aus England, der Türkei, Schweiz, Österreich, der Niederlande, den USA und Deutschland an, aber auch Referenten aus Israel, Griechenland, Saudi-Arabien oder den Philippinen waren zahlreich vertreten. Die mehr als 550 Referenten, darunter allein 50 namhafte Keynote Speaker, konnten wahrhaft die „Pinnacles in Paediatric Dentistry“ – die „Gipfel der Kinderzahnheilkunde“ erklimmen.

Die Vorträge des wissenschaftlichen Programms beleuchteten umfassend den aktuellen Stand und die Facetten der Kinderzahnheilkunde. Das Spektrum der Referate war weit gespannt.

Im Zentrum der Diskussion standen aktuelle Fragestellungen wie „Frühkindliche Karies“, „Polarisation des Kariesbefalles“, „Molar Incisor Hypomineralisation (MIH)“ oder „Kariesdiagnostik“, Themen, die nicht nur in Deutschland, sondern derzeit weltweit diskutiert werden. Während einerseits die Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen in den westlichen Industrieländern im Allgemeinen besser wird,  kristallisiert sich im Sinne einer Polarisation immer stärker eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit hoher Karieserfahrung heraus, die einer besonderen zahnärztlichen Betreuung bedarf. Während sich die positive Entwicklung vornehmlich auf das bleibende Gebiss bezieht, bestehen große Herausforderungen im Zusammenhang mit der Problematik der frühkindlichen Karies.

Alarmierend: Steigende Rate frühkindlicher Karies
Während der Kariesbefall in der bleibenden Dentition in Deutschland und international seit Jahren rückläufig ist, nehmen kariöse Defekte im Milchzahngebiss gefährlich zu. „Speziell die Saugerflaschenkaries als spezifisches Krankheitsbild ist verstärkt zu beobachten“, betont Prof. Dr. Christan Hirsch. Der Präsident der DGK sieht den Grund in Ernährungsmängeln, wie beispielsweise dem unsachgemäßen Gebrauch der Flasche und vernachlässigter Hygiene, die zu massiven Zahnschäden führen. Oft sind es dann auch jene vernachlässigten Kinder, die spät oder gar nicht dem Zahnarzt vorgestellt werden. Abhilfe kann nur geschaffen werden, wenn die Kinder beizeiten einer Betreuung durch hierzu befähigte Kolleginnen und Kollegen zugeführt werden, um individuell abgestimmte Präventions- oder Therapiemaßnahmen einleiten zu können. „Spätestens hier zeigt sich die Notwendigkeit, Kapazitäten für eine kinderzahnheilkundliche Ausbildung an allen Universitäten in Deutschland zu schaffen“, betonte Hirsch. „Langfristiges Ziel der DGK ist es, einen anerkannten Fachzahnarzt für Kinderzahnheilkunde in Deutschland zu etablieren“, so Hirsch.

Early Childhood Caries (ECC): zentrales Thema wissenschaftlicher Vorträge
Ein umfangreicher Teil der Vorträge waren dem aktuellen Thema der frühkindlichen Karies (engl. ECC: Early Childhood Caries) gewidmet. Zu dem zentralen Thema der Early Childhood Caries wurde eine von GABA unterstützte Vortragsreihe angeboten. Hier stellte Prof. Dr. Klaus Pieper von der Philipps-Universität Marburg eine in Deutschland durchgeführte Studie zum Auftreten von Karies bei Kindern im Alter von 3 bis 4 Jahren vor. Ergebnisse dieser Studie schlussfolgern, dass die Hauptursache für  die Entstehung von ECC die nächtliche Gabe der Flasche ist. Prof. Svante Twetman, Universität Kopenhagen, widmete sich in seinem Vortrag den mikrobiologischen Aspekten sowie der vertikalen Übertragung von ECC. Die frühe Besiedlung der Mundhöhle durch Streptococcus mutans, welche hauptsächlich durch die Mutter auf das Kind übertragen werden, gilt als entscheidender Faktor bei der Entstehung von ECC. Prof. Dominique Declerck von der Katholischen Universität Leuven beschäftigte sich mit der Frage, warum präventive Konzepte bei Kindern oft nicht den gewünschten Erfolg erzielen. Laut Declerck besteht ein verstärkter Bedarf an qualitativ hochwertigen Interventionsstudien.

Informative und praxisbezogene Vorträge aus den Fachgebieten der Endodontie oder Kieferorthodontie in der Kinderzahnheilkunde sowie eine umfangreiche und gut besuchte Industrieausstellung rundeten den 22. IAPD-Kongress in München ab. Der 23. IAPD- Kongress wird vom 15. bis 18. Juni 2011 in Athen veranstaltet.

Forderung nach einheitlicher Narkose-Honorierung – Sparkurs bei ambulanten Eingriffen trifft Kinder und behinderte Patienten
Erneut hatten DGK und BuKiZ am Rande der 16. Jahrestagung der DGK, welche zusammen mit dem 22. IAPD Kongress in München stattfand, die bundesweit einheitliche Honorierung von Narkosen für sämtliche ambulanten Eingriffe gefordert. Narkosen für zahnärztliche Behandlungen werden vom Bundesministerium für Gesundheit nicht als besonders förderungswürdig eingestuft und deshalb mit einem geringeren Punktwert vergütet als Narkosen für andere ambulante Eingriffe, erklärte die Vizepräsidentin der DGK, Dr. Sabine Bertzbach. Die aktuellen Honorarreformen im ärztlichen Bereich haben direkte negative Auswirkungen auf die zahnärztliche Versorgung von Kindern und Menschen mit Behinderungen. „Für zahnärztlich indizierte Narkosen erhalten Anästhesisten seit dem 1. Januar 2009 lediglich eine Pauschale pro Fall pro Quartal, die sich zwischen 29 und 49 Euro bewegt. Damit können unmöglich sowohl Praxis-, Material- und Personalkosten als auch das Honorar des Anästhesisten abgedeckt werden für eine Leistung, die bis zu zwei Stunden umfasst“, so Bertzbach. Mit dieser unzureichenden Kostenerstattung durch die Krankenkassen würden die kleinsten Patienten zu Opfern des Sparkurses in der Gesundheitspolitik. Bundesweit leiden bis zu 15 Prozent der Kleinkinder an schweren Zahnproblemen, die oft ohne ambulante Narkosen nicht behoben werden können, so die Präsidentin Johanna Maria Kant vom Bundesverband der Kinderzahnärzte (BuKiZ). Betroffen seien rund 70.000 Kinder pro Geburtsjahrgang. Die Narkosen für zahnärztliche Behandlungen müssten deshalb künftig genauso vergütet werden wie Narkosen für andere ambulante Eingriffe.

(Erschienen in der Dental Tribune Germany 8/2009)

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