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KFO-Behandlungen: Zahl der Erwachsenen steigt

Die Fallzahlen in der Erwachsenen-Kieferorthopädie nehmen seit Jahren ganz erheblich zu. © Pressmaster - Shutterstock.com
IKG/BDK

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So. 28. Juli 2013

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FRANKFURT/MAIN - Die Fallzahlen in der Erwachsenen-Kieferorthopädie nehmen seit Jahren ganz erheblich zu: Das machte OA PD Dr. Philipp Meyer-Marcotty/Würzburg kürzlich zum fachlichen Auftakt des 3. Symposiums zur Erwachsenen-Kieferorthopädie der Initiative Kiefergesundheit/IKG und des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden/BDK in Frankfurt deutlich.

Während im Jahr 1970 die kieferorthopädischen Patienten über 18 Jahre einen Anteil von rund 5 % an allen Patienten in kieferorthopädischer Behandlung ausmachten, sei die Zahl 20 Jahre später, 1990, auf rund 25 % gestiegen, derzeit sei schätzungsweise fast jeder 3. KFO-Patient ein Erwachsener.

Deutlich gestiegen ist auch das Interesse der kieferorthopädischen Fachzahnärzte an der neuen Fortbildungsreihe der IKG und des BDK: War die Resonanz im ersten Jahr noch eher zurückhaltend, konnte die nunmehr 3. Veranstaltung dieser Reihe bereits über 120 Teilnehmer verbuchen und geht damit hervorragend gestärkt in die Vorbereitung des 4. Symposiums im kommenden Jahr.

Dass beide Entwicklungen miteinander in Verbindung stehen, machte Dr. Gundi Mindermann, stellvertretende IKG-Vorsitzende und Bundesvorsitzende des BDK als Veranstalterin zu Beginn deutlich: Dem Berufsstand werde langsam bewusst, welche erhebliche quantitative Rolle die Erwachsenen-Kieferorthopädie mittlerweile im Berufsstand spiele, und immer öfter auch, dass sie spezifische Kenntnisse verlange, die der Quantität mit Qualität begegnen. Die steigenden Fallzahlen machten deutlich, dass es oft genug eines Innehaltens bedürfe, ehe man den Behandlungsplan erstelle: „Je mehr wir gefordert sind, desto öfter sehen wir uns an einem Scheidepunkt: Gehen wir so vor – oder lieber anders? Was ist für den Patienten der beste Weg?“

Unter der bewährten wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Angelika Stellzig-Eisenhauer/Würzburg wurde genau dieser Moment in der Patientenbehandlung in den Fokus des 3. Symposiums gestellt und unter den drei Aspekten „Prävention – Funktion – Ästhetik“ beleuchtet, die zum Motto der Symposiumsreihe geworden sind. Unter dem Stichwort „Grenzfälle“ präsentierten die Referenten die sinnvollste orthodontische und kieferorthopädische Vorgehensweise bei Grenzfall-Situationen mit Blick auf die Parodontologie, Kieferchirurgie, Extraktion, implantatprothetische Versorgung, Aligner-Verfahren und nicht zuletzt auf die Forensik und rechtliche Gegebenheiten. Dabei wurde auch deutlich, welche präventive Relevanz moderne kieferorthopädische Verfahren insbesondere im parodontal geschädigten Gebiss haben können. PD Dr. Meyer-Marcotty zeigte anhand einer aktuellen Studie, wie eine patientenzentrierte Behandlung auf der Grundlage interdisziplinärer Kooperation die Gesundheit des Patienten deutlich verbessern kann. Unter anderem ging es darum, den Verlust der Knochendimension auszugleichen, durch Korrektur parodontalpathologischer Zahnwanderungen einen entgleisten Zahnbogenverlauf zu korrigieren sowie plaque-indizierte Probleme wie bei dentalem Engstand oder ungünstiger Wurzelposition zu beheben.

„Wir Kieferorthopäden können zu einer Senkung parodontaler Erkrankungen führen“, sagte PD Dr. Meyer-Marcotty und beschrieb die Vorgehensweise bei Einbeziehung eines parodontologischen Konsils. Die Umbauphase der Zellen in der Folge einer initialen PA-Therapie im Recall könnte für die kieferorthopädische Therapie sinnvoll genutzt werden. Kieferorthopädische Kräfte seien wie ein „dosierbares Medikament, das individuell eingesetzt werden“ müsse. Bei seinen Ausführungen legte der Referent großen Wert auf die Einflüsse der Verfahren auf die Zahnwurzel, der bei seinen verschiedenen Therapiebeispielen stete Beachtung galt, nicht zuletzt im Hinblick auf Haltefasern und mögliche Attachment-Konsequenzen.

Welche Bedeutung Kieferorthopädie und, gegebenenfalls, kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Verfahren bei ausgeprägten Dysgnathien haben und wann welchem Vorgehen der Vorzug gegeben werden sollte, legte Prof. Dr. Rainer Schwestka-Polly/Hannover dar.

Eindringlich stellte er eine sehr differenzierte Diagnostik an den Anfang aller Konzepte und gab anhand der in seiner Klinik angewendeten „Harmonie-Box“ den Symposiumsteilnehmern ein Schema zur Beurteilung des Ausmaßes der Dysgnathie mit auf den Weg. Verschiedene Fallbeispiele machten deutlich, welche Kriterien den Schalter auf „kieferorthopädische Lösung“ versus „kieferorthopädisch-kieferchirurgisches Vorgehen“ stellen. Kieferorthopädie könne entscheidend die Funktion verbessern, und „Ästhetik gibt es on top!“ Aufgabe der Kieferchirurgie sei die Versetzung skelettoalveolärer Strukturen, und dies könne bei manchen Indikationen für den Patienten der beste Schritt Richtung Nachhaltigkeit und Harmonie des Ergebnisses sein.

Ein chirurgisches Grenzfall-Thema hatte auch Professor Stellzig-Eisenhauer aufbereitet: Unter der Überschrift „Extraktion vs. Non-Extraktion“ griff sie eine Fragestellung auf, die äußerst kontrovers diskutiert werde – und das bereits seit über einhundert Jahren, wie ein historischer Rückblick zeigte. Die Vorbereitung auf das Thema habe gezeigt: „Es gibt viel persönlichen Geschmack und aktuelle Trends bei der Thematik – aber wenig fundierte Literatur.“ Dass Extraktion aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll sein kann, zeigte sie an vielen eindrucksvollen Beispielen und räumte auch mit dem Vorurteil auf, dass entfernte Zähne einen negativen Effekt auf die dentofaziale Ästhetik hätten. Studien zeigten, dass Zahnärzte und Laien flachere Profile sogar als attraktiver einschätzten. Dass sogar asymmetrische Extraktionen eine Harmonie und bessere Funktion schaffen können, wurde ebenfalls sichtbar, genauso aber auch anhand von weiteren Bespielfällen, dass Kieferorthopädie auch ohne Extraktionen – je nach den gegebenen Voraussetzungen – nachhaltig erfolgreich sein kann. Ihr Anliegen: „Es kommt mir darauf an, dass Sie Ihre eigenen Thesen auf den Prüfstein stellen und jeweils individuell entscheiden!“ Entscheidend sei nicht die Philosophie, sondern die Diagnostik. Bei der Diskussion entwickelten sich auch forensische Fragen wie mögliche Konsequenzen einer Non-Ex-Therapie auf das Parodontium, wenn es auch eine Ex-Alternative gegeben hätte – Aspekte, die auch in den Vortrag des BDK-Justitiars RA Stephan Gierthmühlen hineinspielten, der das Thema „Grenzfälle“ auch am neuen Patientenrechtegesetz durchspielte.

Provokativ stieg Dr. Björn Ludwig in sein Thema ein und meinte: „Die zahnärztlichen Kollegen implantieren gern und viel – wollen wir das als Kieferorthopäden?“ Unter anderem am Beispiel von Nichtanlagen übermittelte er Kriterien, wann Kieferorthopädie als Lückenschluss-Verfahren der bessere Weg ist und wann eine implantatprothetische Versorgung vorzuziehen ist. Dabei zeigte er auch kieferorthopädisches Vorgehen in solchen Fällen, wo zu junge Patienten ein Implantat erhielten, das an der gesetzten Stelle verharrte und dem natürlichen Wachstum nicht folgte. Fallbilder machten deutlich, dass man durch Kieferorthopädie und Zahnumformung bei Nichtanlagen schöne und funktionsstabile Ergebnisse erreichen kann. Nach einer kurzen Übersicht durch Stephan Winterlik/Forestadent über die Relation der oft seitens der Kieferorthopäden überschätzten Kosten für verschiedene Brackets im Hinblick auf die Gesamtkosten und den unterschätzen Anteil der „Kosten“ durch unerfahrenes Personal berichtete Dr. Christian Schmidt/Salzgitter über seine rund zwanzigjährige Praxiserfahrung mit Multibracketapparaturen im Vergleich zu Aligner-Verfahren. Bei aller Begeisterung für die Möglichkeiten der Aligner machte er aber auch die Grenzen deutlich, darunter: „Bei Lückenschluss sind Aligner eher schwierig.“ Wo Aligner nicht sinnvoll sind, baue er auf Lingual-Brackets. Allerdings steige das Interesse der Patienten an Alignern ganz deutlich. Dies bestätigte auch Prof. Dr. Rolf Hinz, der sich dem Thema auch aus wirtschaftlicher Sicht stellte: „Wie viele Schienen brauchen wir bei welchem Verfahren – was kostet das, und haben wir preiswertere Lösungen?“ Je nach Indikation könnten Aligner der Lingualtechnik heute deutlich Konkurrenz machen, und je nach System könne eine Alignerbehandlung auch preiswerter als eine Multibandbehandlung sein. Zum Abschluss der Symposiums erhielten die Veranstalter einen klaren Auftrag: „Bitte weitermachen“, hieß es seitens der Teilnehmer, und: „Auch nächstes Jahr wieder hier an dieser Stelle!

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