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Von Pressern und Beißern – Interview mit einem FIFA-Zahnarzt

Im Interview erklärt Dr. Dietrich Fischer-Brooks, warum nicht Luiz Suarez (Foto), sondern sein Gegenspieler sich nach der Beissattacke Sorgen machen muss. © AGIF – Shutterstock.com
Daniel Zimmermann, Dental Tribune International

Daniel Zimmermann, Dental Tribune International

Mi. 2. Juli 2014

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LEIPZIG – In Brasilien kämpfen derzeit wieder die besten Mannschaften um den Weltmeistertitel im Fussball. Dr. Dietrich Fischer-Brooks, zahnmedizinischer Betreuer des Bundesligisten Eintracht Frankfurt und FIFA-Zahnarzt, berichtet im Interview über die Zahngesundheit von Fussballern und warum sich nicht Luis Suárez, sondern sein Gegenspieler nach dessen Beissattacke Sorgen machen muss.

Dental Tribune ONLINE: Herr Dr. Fischer-Brooks, die Beissattacke von Luis Suárez aus Uruguay hat bei dieser ansonsten recht fair geführten WM für Schlagzeilen gesorgt. Muss er neben seiner Sperre auch mit längerfristigen zahngesundheitlichen Konsequenzen seiner Tätlichkeit rechnen?
Dr. Dieter Fischer-Brooks: Wohl eher sein italienischer Gegenspieler (Giorgio Chiellini, die Redaktion), denn in der Mundhöhle befinden sich ja zum Teil sehr aggressive Bakterien. Einem Menschen zufügte Bissverletzung kann sehr schlimme Auswirkungen haben, weil es gar nicht so viele Antibiotika wie Keime im Mund gibt. So hat es teils schon sehr ernste Infektionen gegeben.

Dennoch schien Suárez direkt nach der Tätlichkeit an Schmerzen zu leiden. Hatte dies ernsthafte Ursachen oder was es Schauspielerei?
Ich glaube, dass war gespielt. Der Italiener hat zwar nach hinten ausgeschlagen als er gemerkt hatte, er wird gebissen. Ob er Suárez aber erwischt hat, ist nicht nachweisbar.

Hätten Sie Suárez empfohlen nach dem Spiel gleich zum Zahnarzt zu gehen?
Nur bei einem richtigen Schlag auf die Zähne. Allerdings hat er kurz danach schon wieder Interviews gegeben. Da sah schon alles wieder in Ordnung aus.

Ist der Ellenbogencheck der häufigste zahnmedizinische Zwischenfall im Fussball?
Das kann ich eindeutig mit ja beantworten. Die meisten Spieler, die ich bei Eintracht Frankfurt, dem FSV Frankfurt oder Kickers Offenbach regelmäßig zahnmedizinisch betreue, sind dadurch schon einmal die Frontzähne beschädigt worden. Viele spielen deshalb inzwischen mit Mundschienen. Die sieht man jetzt oft, wenn am Spielfeldrand Interviews gegeben werden.

Gibt es während einer Weltmeisterschaft regelmäßige zahnmedizinische Checks oder liegt die Mundgesundheit allein im Ermessen der Spieler?
Das kommt auf die Professionalität der Betreuung an. Man sollte bereits im Vorfeld schauen, ob die Spieler in irgendeiner Form Entzündungen im Mund-, Kiefer- oder Geschichtsbereich haben. Wir wissen ja, dass einige schon dem plötzlichen Herztod auf dem Platz erlegen sind. Meistens waren große Infektionen die Ursache und dazu können vereiterte Weisheitszähne, eine sehr ausgeprägte Parodontitis oder auch große Entzündungen an wurzelbehandelten Zähnen gehören.

Welche Auswirkungen können solche Problem auf die Gesundheit oder Leistung der Spieler haben?
Eine bakterielle Verschleppung irgendwo im Gesamtorganismus kann die Herzklappen angreifen. Sie kann aber auch zu Entzündungen in Gelenken, zum Beispiel im Knie, führen. In Frankfurt hatten wir einmal einen Fall, in dem ein tschechischer Nationalspieler aufgrund eines Eiterraustritts am kleinen Zeh monatelang keine Fussballschuhe anziehen konnte. Die Ursache war ein vereiterter Weisheitszahn. Als wir den rausgenommen haben, war die Fistel innerhalb von zwei Tagen weg und er konnte recht schnell wieder spielen. Mannschaftsärzte tun sich da manchmal schwer, weil sie die Zusammenhänge nicht erkennen. Aber man sieht an diesem Beispiel, wie so eine Keimverschleppung vom Mund auf den Rest des Körpers stattfinden kann. Hauptsächlich ist aber das Herz betroffen.

Fussballspieler heutzutage haben den Status von Popstars und achten daher sehr auf Ihr Äusseres. Trifft das auch auf die Zähne zu?
Schöne, gerade und weiße Zähne sind ein Symbol für Erfolg. Manche Spieler haben aber fast schon einen Zahnfetischismus. Einige kommen inzwischen alle 2 bis 3 Monate in meine Praxis, um sich checken zu lassen. Bei vielen ausländischen Spielern, vor allem aus dem ehemaligen Ostblockstaaten, sieht man allerdings, dass die in der Jugend nicht gut versorgt wurden. Wenn man solche Spieler bekommt, muss man daher sehr viel behandeln.

Bei der WM 2006 in Deutschland haben Sie unter anderem die Mannschaften von England und Saudi-Arabien betreut. Konnten Sie da auch Unterschiede in der Mundgesundheit feststellen?
International gibt es tatsächlich ganz große Klassenunterschiede. In England zum Beispiel ist die Zahnversorgung, wie im Allgemeinen die Gesundheitsversorgung, ja eher schlecht. Das spiegelt sich dann auch in den Gebissen wider. Da gibt es schlecht gesetzte Füllungen und andere Anzeichen einer schlechten Versorgung. Eine hochwertige Zahnmedizin, wie sie zum Beispiel in der Schweiz oder in Deutschland praktiziert wird, findet man dagegen seltener.

Schauen Sie durch Ihre Arbeit inzwischen häufiger auf die Zähne von Fussballern und gibt es Spieler, deren Zähne Sie besonders beeindrucken?
Fasziniert bin ich derzeit von James Rodríquez aus Kolumbien. Der hat wirklich bildhübsche Zähne. Ich achte aber inzwischen viel mehr auf die Presser. Da sind Spieler, die im Interview auf die Zähne beißen, wodurch die Kaumuskulatur an der Wange hervortritt. Ästhetik ist das eine, aber es gibt auch medizinische Aspekte.

Wie sieht Ihr persönlicher Finaltipp für die WM aus?
Ich hatte im Vorfeld getippt, dass keine europäische Mannschaft ins Halbfinale kommt. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Ich glaube, dass Brasilien oder Holland gegen Deutschland im Endspiel stehen wird.

Vielen Dank für das Interview.

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