BERLIN - Die Ergebnisse einer Studie der Charité sowie weiteren deutschen Institutionen liefern neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des Sézary Syndroms und möglicherweise auch anderer menschlicher Lymphome.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin Berlin, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin Berlin, des Max-Planck Instituts für Molekulare Genetik Berlin sowie vier weiteren deutschen Institutionen ist es gelungen, einen spezifischen Genverlust bei einem bestimmten menschlichen Lymphom nachzuweisen, dessen Entstehung bisher weitgehend unklar ist.
Sie untersuchten das sogenannte Sézary Syndrom. Dabei handelt es sich um eine aggressive Krebserkrankung aus der Gruppe der primären Hautlymphome, sogenannter primär kutaner Lymphome. Die Ergebnisse der Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Journal of Experimental Medicine* veröffentlicht sind, liefern grundlegend neue Einblicke in die Entstehung und Entwicklung des Sézary Syndroms und möglicherweise auch anderer menschlicher Lymphome.
Das bösartige Sézary Syndrom ist durch die Vermehrung einer speziellen Art von weißen Blutkörperchen in der Haut der Patientinnen und Patienten gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Hautlymphomen zeigen Patienten mit Sézary Syndrom schon zu Beginn der Erkrankung neben dem Hautbefall einen Befall des Blutes und der Lymphknoten durch die entarteten T-Zellen. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten hoch aufgereinigte Tumorzellen von Patienten mit Sézary Syndrom mit Hilfe moderner und hochauflösender genetischer Verfahren (der sogenannten array comparative genomic hybridization Technik) auf bisher unbekannte genetische Veränderungen. Dabei identifizierten sie Bereiche im Erbgut dieser Tumorzellen, die bei vielen der untersuchten Patienten verloren gegangen sind. Eine detaillierte Analyse dieser Bereiche zeigte, dass eines der am häufigsten betroffenen Gene für einen sogenannten Transkriptionsfaktor kodiert. Transkriptionsfaktoren haben zentrale Funktionen bei der Regulation der zellulären Genaktivität.
Der teilweise Verlust des Gens für den Transkriptionsfaktor E2A scheint dabei eine ganz zentrale Rolle zu spielen, denn dieses Gen ist normalerweise von wichtiger Bedeutung für die natürliche Lymphozyten-Entwicklung, erklärt Chalid Assaf von der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charité. Bei Mäusen führt ein Verlust dieses Gens zur Entstehung aggressiver T-Zell-Lymphome. Ein Genverlust in einer der verschiedenen humanen Lymphomklassen war bisher jedoch noch nicht gefunden worden.
Die Forscherinnen und Forscher identifizierten zudem mehrere E2A-regulierte Gene und Signalwege in den Tumorzellen, deren Deregulation jeweils für sich alleine schon ausreichen kann, damit sich ein Tumor entwickelt. Der Verlust von E2A beim Sézary Syndrom hat eine entscheidende Bedeutung für das aggressive Verhalten der Tumorzellen, indem er zu einem schnelleren und unkontrollierten Wachstum der Zellen beiträgt, betont Stephan Mathas, Wissenschaftler an der Klinik für Hämatologie und Onkologie der Charité und am MDC. Damit gelang es das erste Mal direkt nachzuweisen, dass E2A im Menschen die Funktion eines Tumorsuppressors besitzt.
Die Forscher hoffen, dass diese Erkenntnisse in Zukunft möglicherweise Grundlage für die Entwicklung neuer Behandlungskonzepte sein könnten, um Patienten mit Sézary Syndrom neue und wirksamere Therapien anbieten zu können.
*Originalpublikation:
Genomic loss of the putative tumor suppressor gene E2A in human lymphoma. Anne Steininger, Markus Möbs, Reinhard Ullmann, Karl Köchert, Stephan Kreher, Björn Lamprecht, Ioannis Anagnostopoulos, Michael Hummel, Julia Richter, Marc Beyer, Martin Janz, Claus-Detlev Klemke, Harald Stein, Bernd Dörken, Wolfram Sterry, Evelin Schrock, Stephan Mathas, and Chalid Assaf. J Exp Med. 2011 Jul 25. doi:10.1084/jem.20101785.
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