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Kassen-Abzocke im Gesundheitsfonds

Für jeden einzelnen Versicherten erhält die Kasse einen Grundbetrag und pro Versicherten bei Vorliegen einer in einer besonderen Liste – 80 Erkrankungen – geführten Schwerbelastung einen Risiko­zuschlag. Hier beginnt nun die organisierte Manipulation. Jürgen Pischel spricht Klartext. © psdesign1 – Fotolia.com
Jürgen Pischel, Dental Tribune German Edition

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Fr. 18. November 2016

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BONN/KREMS – Einige Medien haben sich kurzfristig empört, die Politik hat es schweigend hingenommen und duldet über die BMG-Aufsicht die Kassen-Abzocke im Gesundheitsfonds. Der zahlt jährlich rund 200 Milliarden Euro an die gesetzlichen Krankenkassen aus den Beiträgen der Versicherten.

Für jeden einzelnen Versicherten erhält die Kasse einen Grundbetrag und pro Versicherten bei Vorliegen einer in einer besonderen Liste – 80 Erkrankungen – geführten Schwerbelastung einen Risiko­zuschlag. Hier beginnt nun die organisierte Manipulation. Um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds beziehen zu können, werden Ärzte über „Gesundheits­berater“ und über Geldprämien pro Sonderdiagnose animiert, bestimmte Pa­tienten als besonders schwer krank zu bezeichnen. Darüber fallen Sonder­prämien für die Kassen aus dem Ge­sundheitsfonds an. Zur Rechtfertigung des Vorgehens der Animation der Ärzte zur Sonderdiagnose „schwersterkrankt“ – z.B. adipös statt übergewichtig – behaupten die Kassen, es gehe nur darum, „nachlässige Mediziner“ zu einer „richtigen“ Diagnose zu lenken.

Zur Dimension der Manipulations­versuche: Aus der TKK heraus heißt es, allein seit 2014 wurden von den Kassen gemeinsam über 1 Milliarde an Prämien in Ärzte investiert, um Patienten als „be­sonders krank“ einzustufen. So werden die Deutschen immer mehr auf dem Papier der Kassenabrechnungen zu einem Volk von Schwerkranken. Allein die Zahl der Fettleibigen stieg nach Aufnahme in den 80er-Katalog in 2010 bis 2012 von 500.000 auf 1,1 Mio. adipös Erkrankte. Allein die TKK be­hauptet, dass 0,3 Prozentpunkte ihres Beitrages in Risikodiagnose-Prämien fließen. Geld, das für die Therapien der GKK-Versicherten fehlt.

Milliardenschwere Verschwendung, die für die Patienten auch zum persön­lichen Nachteil werden können. Bei fast jeder privaten Zusatzversicherung wird eine persönliche Risikoüberprüfung ge­macht, und schon wird aus dem vielleicht nur leichten Übergewicht die Fettleibig­keit mit in der Folge möglicher schwerer Erkrankungen. Die Antragsteller machen sich auch nach der Fehlanzeige in ihrem Versicherungsantrag schuldig.

Aber auch die privaten Versicherer sind nicht die größten Lämmer, sondern entpuppen sich als Wölfe im Schafspelz. So wendet sich in einem offenen Brief der Präsident der Bundeszahnärzte­kammer (BZÄK) an die ERGO Direkt Versicherung, die Informationen aus Heil- und Kostenplänen ihrer Versicherten ungefragt auf der Internetseite www.2te-zahnarztmeinung.de einstellt.

Die BZÄK hält dieses Vorgehen für bedenklich und rechtlich grenzwertig. Der Versicherte wende sich mit der Frage nach Übernahme der Behandlungs­kosten an seine Versicherung, die unge­fragt die Informationen im Internet ein­stelle. Damit der Patient die Angebote auch wirklich prüft, werden ihm von der Versicherung 50 Euro für die Teilnahme an einem Beratungsgespräch mit einem Bieter offeriert.

Die BZÄK kritisiert diese Geschäfts­praktiken. Denn zahnärztliche Therapie­entscheidungen sind komplex. „Ferndia­g­nosen“ werden der Individualität eines Patienten nicht gerecht. Außerdem schränke die ERGO die freie Arztwahl des Versicherungsnehmers unzulässig ein. Es gibt also nichts, was nicht denkbar ist. Bleibt, alles zu unterlassen, was das Vertrauensverhältnis Patient zur Zahnarzt­praxis stören könnte,

toi, toi, toi, Ihr J. Pischel

Quelle: Dental Tribune German Edition

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